Beschlussheft

28. Bundeskongress von Die Linke.SDS

Sommersemester 2021

Inhalt

A1. Leitantrag.

A2. Systemwechsel. Zukunft wird gemacht!

A3. Feministische und antikapitalistische Solidarität mit Sexarbeiter:innen!

A4. 8. Mai – Erinnerung, die das Menschenrecht feiert

A7. Solidarische Krisenlösung statt Aufrüstung: Für eine zivile Wissenschaft im Interesse der Menschheit

A11. Für einen bundesweiten Tarifvertrag für Studentische Beschäftigte! Die Linke.SDS und die Tarifrunde der Länder im Herbst 2021

A12. Unterstützung #unteilbar-Demo.

A13. Gegen anti-palästinensischen Rassismus und Antisemitismus und für die Stärkung von progressiven palästinensischen und israelischen Akteur:innen.

A14. SDS-Organizing-Akademie 2022.

A15. SDS-Genoss:innen zu Expert:innen für die soziale/finanzielle Lage von Studis machen!

A16. Wir lassen uns nicht verbiegen! Kritischer Arbeitsschutz im Studium – auch im Homeoffice!

DA1. Still lovin‘ Interessensvertretung: gewerkschaftliche Organisierung studentisch Beschäftigter ausbauen, Hochschuldemokratie gleich mit.

DA3. Versammlungsgesetz in NRW stoppen! Unser Widerstand gegen eure Repression!

 

 

Einleitende Ergänzung

Beschlussfassung und Wahlen

Beschlussfassung:

In diesem Heft sind sämtliche, auf dem XXVIII. Bundeskongress von Die Linke.SDS am 26. und 27. Juni online, beschlossene Anträge im Beschlusstext veröffentlicht. Redaktionelle Anpassungen bleiben davon unberührt.

Anträge A5, A8, A9 und A10 wurden an den Bundesvorstand überwiesen.

Wahlen:

Bei der Wahl zur Bundesgeschäftsführung wurde Margarita Kavali gewählt.

Bei den Wahlen zum Bundesvorstand wurden Nathalie Steinert, Vivienne Widawski, Lea Knoff, Karolin Guhlke und Mithily Masillamany auf der Liste zur Sicherung der Mindestquotierung, sowie Joscha Bär, Linus Schiedermair, Aron Schröter und Julian Megerle auf der gemischten Liste gewählt. Für das Amt des Schatzmeisters wurde Marvin Block gewählt.

Bei den Wahlen der Delegierten für den Bundesparteitag wurden Linda Schmeißer, Hannah Harhues und Nathalie Steinert auf der Liste zur Sicherung der Mindestquotierung, sowie Nam Duy Nguyen, Joscha Bär und Julian Megerle auf der gemischten Liste gewählt.

Bei den Wahlen der Delegierten für den Bundeskongress der linksjugend [`solid] wurden Margarita Kavali, Luisa Mayer und Marie-Jacqueline Panten auf der Liste zur Sicherung der Mindestquotierung, sowie Paul Fürst, Darian Nöhre und Fabian Korner auf der gemischten Liste gewählt.

Inhaltliche Anträge

A1. Leitantrag

Zukunft wird gemacht.

Organisierende Politik an der Hochschule und auf den Straßen in Zeiten von Pandemie, Krise und Bundestagswahl.

Nach etwas mehr als einem Jahr Pandemie ist klar: Die Corona-Krise hat kaum den Charakter einer »Chance«. Stattdessen hat sie existierende Probleme verschärft, neue geschaffen und uns im Alltag wie auch in unserer politischen Arbeit vor große Herausforderungen gestellt. Gleichwohl gibt es keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Die gesellschaftliche Linke hat Möglichkeiten stärker zu werden und Die Linke.SDS kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten. Die Voraussetzung: Wir bemühen uns, die gesellschaftlichen Dynamiken richtig zu verstehen, wir entwickeln daraus politische Perspektiven und machen an und ausgehend von den Hochschulen vor, wie organisierende, d.h. verbindende Politik von unten aussieht.

DIE LINKE vor der Bundestagswahl

Während der Wahlkampf noch gar nicht richtig begonnen hat, ist eines schon sicher: Die Auseinandersetzungen der etablierten Parteien verhandeln das »Wie« des »Weiter so«, nicht das »Ob«. So treten die Grünen mit der Idee einer »sozial-ökologischen Marktwirtschaft« an, in Unionskreisen wird vom »Klima-Wohlstand« gesprochen, der die Unternehmen und die Industrie mitnehme. Auch wenn beide Parteien nicht nur programmatisch, sondern auch in ihrer gesellschaftlichen Basis große Unterschiede haben, so scheint es in beiden Parteien Mehrheiten für ein schwarz-grünes Regierungsprojekt zu geben. Das Ziel: Mit einem grünem Modernisierungsprogramm und der Umstrukturierung der Automobil- und Energieindustrie nicht nur die Wachstumsraten nach oben kurbeln, sondern auch ein neues hegemoniefähiges Bündnis aufbauen, das in Zeiten von ökologischer Krise und globalen Konflikten Stabilität verspricht.

Die Grünen adressieren dabei auch unsere Generation. Ihr Mix aus Erneuerung und Ordnung knüpft klassenübergreifend an Lebensgefühle der »Jugend« an. Während Mehrheiten eine Reihe progressiver und sozialer Forderungen teilen, wird in der Forschung ebenso von einer »Regrounding-Tendenz« gesprochen. Gemeint ist eine weit verbreitete Suche nach sicheren und eher konventionellen Lebensformen, die sowohl eher entpolitisierend den Rückzug ins Private bedeuten als auch ein Anknüpfungspunkt für solidarische und kollektive Politik bieten kann. Das Angebot der Grünen: Pragmatischer Idealismus, Fortschritt ohne Brüche, Erneuerung und Ordnung.

Die Situation ist dennoch offen und konfliktreich. Eine Zuspitzung der Krise der Union könnte etwa anderen Koalitionen Aufschwung verschaffen, auch Jamaika, eine Ampel und nicht zuletzt Grün-Rot-Rot können nicht ausgeschlossen werden. Damit steigt auch der Druck auf die LINKE, »regierungsfähig« zu werden. Als Die Linke.SDS halten wir eine Orientierung auf Grün-Rot-Rot als »progressivem Bündnis« und einen Lagerwahlkampf für falsch. Sowohl die ökonomischen Rahmenbedingungen – Wirtschaftskrise und Verteilungskämpfe – als auch die politischen Kräfteverhältnisse führen uns zu der Überzeugung, dass DIE LINKE in einer solchen Regierung ihre zentralen Forderungen nicht durchsetzen könnte. Weiter müsste DIE LINKE in einer Regierungsbeteiligung mit Grünen und SPD in Friedens- und Geflüchtetenpolitik entgegen ihrem Kernpositionen handeln. Unser klares Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr und deutschen Waffenexporten und der Einsatz für eine Geflüchtetenpolitik, die Fluchtursachen und nicht Geflüchtete bekämpft, darf nicht aufgegeben werden. Wir stehen daher weiterhin für den Aufbau von gesellschaftlicher Gegenmacht und konsequente Opposition gegen die herrschenden Verhältnisse und wirken in diesem Sinne in die Partei hinein. Der Aufweichung von Positionen – insbesondere in der Außenpolitik – wie auch der Vormachtstellung der Parlamentsarbeit stellen wir uns entgegen.

Solidarität im Zeitalter der Pandemie

Entscheidenden Einfluss auf die politischen Verhältnisse vor und nach der Wahl hat natürlich die Pandemiebekämpfung. Die Bundesregierung hat zu keiner Zeit ernsthaft gegen die kurzfristigen Profitinteressen des Kapitals gehandelt. Stattdessen hat sie versucht über massive Einschränkungen des Privaten den Virus einzudämmen. Diese Strategie ist angesichts hoher Infektions- und Todeszahlen bei einem andauernden »Lockdown light« gescheitert.

Als Die Linke.SDS unterstützen wir den Beschluss des Parteivorstandes vom 20. April, in dem eine »Niedrig-Inzidenz-Strategie« gefordert wird. Bestandteile dieser sind Forderungen nach effektivem Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt, für soziale Absicherung, die Ablehnung von wirkungslosen Ausgangssperren, aber auch der Kampf gegen die Profitorientierung im Gesundheitswesen und für die Freigabe der Impfpatente.

Die Corona-Krise trifft nicht alle gleich. Während Konzerne und Superreiche profitieren, sind Beschäftigte in Krankenhäusern, Supermärkten und Fabriken, aber auch Menschen, die in ärmeren Vierteln leben, am stärksten von der Pandemie betroffen. Der Virus und seine Bekämpfung verschärfen existierende Ungleichheit und Unterdrückung. Eine linke Antwort auf COVID-19 kennt daher keine Verharmlosung. Im Gegenteil: Gesundheitsschutz müssen wir uns im Wesentlichen gegen die Interessen der Herrschenden erkämpfen. Und wir gehen noch einen Schritt weiter: Wir verstehen Corona als ein Produkt des umweltzerstörenden Kapitalismus. Die Abholzung von Regenwäldern etwa fördert die Entstehungen und Übertragung solcher Viren. Dem drohenden Zeitalter der Pandemie stellen wir die Vision eines globalen und grünen Sozialismus gegenüber.

 

Protest und Bewegung

Auch jenseits der Pandemiebekämpfung gibt es in der Bundesrepublik gesellschaftliche Auseinandersetzungen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen den Berliner Mietendeckel hat gezeigt, dass es im Staat noch mehr Widerstände gegen linke Politik gibt als fehlende Mehrheiten im Parlament. Während ein bundesweiter Mietendeckel noch in weiter Ferne zu sein scheint, könnte die Kampagne »Deutsche Wohnen & Co enteignen« einen mieterpolitischen Durchbruch erzielen. Als Die Linke.SDS unterstützen wir lokal wie bundesweit die Initiative.

Auf betrieblicher Ebene gibt es unterschiedliche Entwicklungen: Die IG Metall hat die Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie frühzeitig und mit einem enttäuschenden Ergebnis beendet. Gleichzeitig kämpft sie, wie auch die NGG, im Osten verstärkt für eine Angleichung der Löhne. Die Kämpfe gegen Entlassungen und Betriebsschließungen werden sich tendenziell ausweiten. Große Aufmerksamkeit verdient der Versuch von Berliner Pfleger:innen in Zusammenarbeit mit ver.di, die gestiegene Aufmerksamkeit durch Corona und vor der Wahl für die Durchsetzung von mehr Personal im Krankenhaus zu nutzen. Gelingt dies den Kolleg:innen, könnte das Projekt Schule machen und damit auch eine der zentralen feministischen Auseinandersetzungen der kommenden Monate werden.

Offen scheint indes wie Fridays For Future durch den Lockdown kommt. Die Chance der Grünen auf die Regierung wird die Bewegung dahin drängen, sich auf die Bundestagswahl zu konzentrieren. Doch es gibt auch andere Entwicklungen: FFF, #unteilbar und ver.di wollen gemeinsam in Aktion treten und damit das Zusammenkommen von sozialer, ökologischer und antirassistischer Frage organisieren. Als Die Linke.SDS versuchen wir, diese Hinwendung zur sozial-ökologischen Politik und den »labour turn« der Klimabewegung zu stärken.

Beeindruckt sind wir von den Effekten migrantischer Selbstorganisierung über die letzten Jahre. Die starken Demonstrationen zum Gedenken an Hanau, aber vor allem der Aufbau und die zunehmende Sichtbarkeit von Gruppen wie Migrantifa, Palästina Spricht, Jüdisch antifaschistischer Bund und einigen weiteren Initiativen zeigen auch: Die gesellschaftliche Linke kann ein Ort sein, an dem Menschen mit Rassismuserfahrungen gemeinsam mit solidarischen Mitkämpfer*Innen für die befreite Gesellschaft kämpfen können. Sie muss sich den Fragen und Kämpfen der von Rassismus betroffenen Menschen stellen. Das wollen wir weiterhin und verstärkt tun.

Zuletzt mobilisiert #unteilbar anlässlich der Land- und Bundestagswahlen zu verschiedenen Aktionen, die wir unterstützen wollen. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf der Vernetzung für einen »solidarischen Osten«, was wir sehr begrüßen.

Aufbruch an der Hochschule

Während verschiedene Studien in den 1990er und 2000er Jahren noch einen Rückgang des politischen Interesses innerhalb der Jugend identifizierten, positioniert sich mittlerweile eine wachsende Mehrheit in zentralen Fragen links der Mitte. Die »Generation Greta« ist dabei kein Phänomen der Bildungseliten, progressive Forderungen zu Klima, Umverteilung, Rassismus und Feminismus werden klassenübergreifend geteilt.

Doch: Dieses progressive Potenzial übersetzt sich noch unzureichend in politische Organisierung und soziale Macht. An den Hochschulen bedeutet das: Viele Studierende sind Teil von sozialen Bewegungen, die eigenen Studienbedingungen verschlechtern sich jedoch tendenziell. Wie lösen wir diesen Widerspruch? Wie knüpfen wir an die existierende politische Dynamik an und kanalisieren sie gleichzeitig in den Aufbau gesellschaftlicher Gegenmacht an den Hochschulen und darüber hinaus?

Die Lage der Studierenden in der Corona-Pandemie

Die Pandemie hat bei uns Studierenden Jobverluste und das Wegfallen elterlicher Unterstützung durch deren Kurzarbeit bewirkt. Die Lohnabhängigkeit von 68% der Studierenden und die Bafög-Verfügbarkeit für nur etwa 11% aller Studierenden führt zu sozialem Absturz oder Zwangsrückzug zur Familie. Die dürftigen Überbrückungshilfen des BMBF sind angesichts 920 Millionen Euro zurückgehaltenen Bafögmitteln 2020 nichts als ein Hohn.

Fehlender Arbeitsschutz, inadäquate Ausrüstung im Homeoffice und unregulierte Computernutzung schaden unserer Gesundheit, beispielsweise in Form von study neck und zoom fatigue. Doch auch psychosoziale Belastungen setzen uns Studierenden zu und begünstigen psych(osomat)ische Erkrankungen.

Die Vereinzelung im Studium, schon vor der Pandemie durch Modularisierung und Warenform (CPs) stark, nimmt im virtuellen Lehrbetrieb eher zu. Das Abarbeiten vorgegebener Arbeitsaufträge auf unhinterfragten Benutzeroberflächen; wenig Raum für vielseitige Kommunikation und Reflexion mit Studierenden und Lehrenden: All das macht den Aufbau langfristiger Lerngemeinschaften weniger naheliegend. Besonders hart treffen die aktuellen Studienbedingungen jene, die ohnehin auf Barrieren im Bildungssystem stoßen: FLINTA*, Queers, rassifizierte Menschen und Behinderungen sowie Arbeiter:innenkinder.

Wir Studierenden sind mitten in den Kämpfen des Wahlkampfs: Werden abgesicherte, nachhaltige Jobs geschaffen oder droht uns nach dem Studium prekäre, gesundheitsschädigende Lohnarbeit 4.0? Wird in hygienischen ÖPNV investiert oder die Autoindustrie hofiert? Wird Wohnraum Gemeingut und die Miete bundesweit gedeckelt oder droht uns weitere Verdrängung? Können Studierende mit Migrationshintergrund künftig ohne Diskriminierung studieren und spazieren, oder werden wir mit ein paar Diversity-Symbolakten abgespeist? Wird die Menschheit durch einen Wirtschaftsumbau gerettet oder nur Verbrauchersteuern erhöht? Kurzum: Gibt es für uns nach der Bundestagswahl eine Chance auf wirkliche Verbesserung – oder wird es ein ‚Weiter So‘ mit grünem Anstrich?

Die Studierendenschaft ist in dieser Lage schon eine soziale Gruppe mit annähernd gleichen Problemen und Interessen, handelt aber noch nicht bewusst genug für sich selbst: Der fzs streitet für ein höheres, leichter verfügbares Bafög, kann ohne breite Mobilisierung aber nur Presseerklärungen schreiben und Lobbygespräche führen. Wir unterstützen als Die Linke.SDS die aktuelle Kampagne des fzs „50 Jahre BAföG. (K)Ein Grund zu feiern“, für BAföG als Vollzuschuss mit erhöhten Fördersätzen und Wohngeldzuschuss inklusive Alters- und Leistungsunabhängigkeit (https://bafoeg50.de/). An einzelnen Hochschulen gibt es dennoch im engeren Sinne hochschulpolitische Kämpfe, die wir mitaufgebaut haben: In Freiburg gegen Zumutungen des Prüfungsamts; in Köln gegen rassistische Professoren; in Marburg gegen Kürzungspolitik; in Bamberg gegen eine undemokratische Hochschulgesetzesnovelle, u.v.m. Aussichtsreich erscheint der bundesweite Aufbau von TVStud-Initiativen, an dem auch Die Linke.SDS-Gruppen mitwirken.

Die Tarifrunde der Länder, in der die Hochschulen zu den größten Betrieben gehören, wird auch für uns als Studierende sehr relevant. Als Die Linke.SDS wollen wir versuchen, Beschäftigte in allen Bereichen – ob im Mittelbau oder in Universitätskliniken – in der Tarifrunde zu unterstützen.

Das »neue akademische Proletariat« formieren

Drei Millionen Menschen sind an Deutschlands Hochschulen immatrikuliert und über 480.000 Menschen arbeiten in Wissenschaft und Forschung. Im klischeehaften Elfenbeinturm haben die wenigsten einen Platz: Vielmehr hat sich durch Akademisierung von Ausbildungsberufen und Proletarisierung von Wissenschaftsberufen ein „neues akademisches Proletariat“ herausgebildet.

Dass es sich noch nicht recht politisch formiert, zeigt sich im folgenden Widerspruch: Ihre Angehörigen sind oft sehr politisch engagiert, die »Generation Greta« erhebt einen relativ selbstbewussten Gestaltungsanspruch. Andererseits sind Erfahrungen im Studium (und späteren Beruf) von Ohnmacht, Individualisierung und Fragmentierung sowie einer starken Kundenideologie geprägt. Nur ein Bruchteil der Studierenden engagiert sich in Gewerkschaften oder politischen Hochschulgruppen. Auch Fachschaften, die eigentlichen Organisationen aller Studierenden eines Fachbereichs, fristen oft ein Nischendasein mit wenigen Aktiven.

Die Linke.SDS als strategischer Akteur an den Hochschulen

Dieser Widerspruch von Anspruch und Ohnmacht wird nur durch politische Organisation gelöst. Die Linke.SDS bemüht sich um die Organisierung von Studierenden an ihrem Lebensmittelpunkt und darüber hinaus: Wir begeistern einander für sozialistische Ideen und ermächtigen uns zu politischer Selbstaktivität. Dafür gibt es keinen vorgezeichneten Weg: Ob entlang konkreter Probleme und Erfahrungen im Studienalltag; entlang gesellschaftlicher Dynamiken; oder grundlegender weltanschaulicher Fragen – Menschen entscheiden sich in verschiedenen Lebenslagen aus unterschiedlichen Gründen für politisches Engagement.

Als verbindender klassenpolitischer Akteur streben wir dennoch verallgemeinerbare Taktiken an: Wie bewerkstelligen wir an allen Hochschulen einen strukturbasierten Aufbau linker Studierendenschaften? Mit welchen Narrativen begeistern wir uns und andere für den Kampf um eine bessere Welt? Wie schaffen wir zwei, drei, viele: Widerstände gegen inhumane Prüfungsbedingungen wie in Freiburg? Proteste gegen rassistische Professor:innen wie in Köln? Besetzungen gegen Kürzungen wie in Marburg? Wir müssen genauer hinschauen, was vor Ort passiert, die Erfahrungen besser miteinander teilen und uns in der Ausweitung der Kämpfe gegenseitig unterstützen! Daher organisieren wir ab dem Wintersemester einmal im Monat eine »Lokalzeit«, in der Hochschulgruppen von Projekten berichten und ihre Auswertung vorstellen.

Unsere organisatorische Arbeit bleibt nicht bei der Mobilisierung in Konflikten stehen: Wir schließen uns kontinuierlich in den Hochschulgruppen zusammen – als Solidargemeinschaften, Selbstbildungsorte und politische Rückhaltstrukturen. Die Frage, ob und wie wir bundesweit mehr Sprünge von 5-10er- auf 20-30er-Gruppen machen, gewinnt an Bedeutung. Politisches Handwerk wie »Organizing« ist hierfür wichtig, aber nicht alles. Wir wollen mehr als das tagespolitisch Mögliche und wissen, dass die kleinen Siege im Gesamtbild nur Zugeständnisse der übermächtigen Gegenseite bis zur Überwindung des Kapitalismus sind.

Hochschulen sind ein Ort ideologischer Reproduktion der herrschenden Klassen. Wir sitzen sozusagen im „Hirn der Bestie“ (Che Guevara zu Jean Ziegler). Statt zu funktionalen Neuronen des Bestehenden zu werden, wollen wir das herrschende Denken stören und die Idee einer anderen Gesellschaft popularisieren – mit Veranstaltungen, Aktionen, unserer Hochschulzeitung u.v.m…

Wir wollen ein demokratisches, selbstbestimmtes, sozial abgesichertes, inklusives und gemeinwohl-orientiertes Bildungssystem sowie eine friedliche, solidarische, ökologische und emanzipierte Menschheit. Für beides brauchen wir den Sozialismus. Daher zielt alles, was wir tun, auf eine grundlegende Veränderung der Hochschulen sowie der gesamten Gesellschaft ab:

  1. Sammeln: Wir sind ein Teil des sich bewusst organisierenden akademischen Proletariats und wollen, mit möglichst vielen Kommiliton:innen, die Ohnmacht überwinden und unseren politischen Gestaltungsanspruch einlösen! Um mehr zu werden, müssen wir im Studienalltag selbstbewusst unseren Standpunkt darlegen, einander solidarisch und einladend begegnen. Neue Mitstreiter:innen müssen wir einbinden, Raum zur Entfaltung geben und kollektiv unsere Gruppen führen.
  2. Bilden: Im SDS betreiben wir kritische Selbstbildung gegen Engführung und Verblendung im bürgerlichen Normalstudium. So kommen wir dem urwissenschaftlichen Bedürfnis nach Erkenntnis nach, sprengen die Schranken bürgerlichen Denkens und werden zu allseitig(er) gebildeten Menschen – was uns in politischen Kämpfen, aber auch alltäglichen Leidenssituationen stärkt.
  3. Einmischen: Auf allen Konfliktfeldern und -ebenen greifen wir den dysfunktionalen und ungerechten Status Quo an! Druck auf der Straße, Sitzungen in Gremien, Diskursbeeinflussung in Medien und Kultur bilden unsere zentralen Kanäle zur Entfaltung studentischer Gegenmacht.
  4. Dranbleiben: Wir bleiben (i.d.R.) nicht ewig Studierende. Darum müssen wir uns auf die politische Arbeit nach dem Studium vorbereiten: Als Gewerkschafter:in im Beruf, kritische Wissenschaftler:innen, Aktivist:innen in Bewegungen und NGOs – im Zweifelsfall Berufspolitiker:innen. Daher streben wir enge Bindungen des SDS an lokale Gewerkschaften, Bewegungen und die Partei Die Linke an. Wir haben hier den Anspruch, politische Arbeit besser zu machen, wofür uns gerade unsere marxistische Grundlagenbildung und fundierte Kritik des politischen Betriebs wappnen sollen.

A2. Systemwechsel.

Zukunft wird gemacht!

Einordnung der Wahlen

Generation Greta und das Erfolgskonzept der Grünen

Am 26. September stehen Bundestagswahlen an und allen Prognosen zufolge sieht es so aus, als würden die Grünen dieses Jahr vielleicht nicht als die absoluten, aber mit Sicherheit als die relativen Gewinner:innen aus der Wahl gehen. Während alle anderen Parteien am Straucheln sind, versprechen die Grünen, vereint in ihrem Auftreten, mit ihrem grünen marktwirtschaftlichen Modernisierungskonzept aktuelle Widersprüche in einer „radikalen Realpolitik“ zusammenzubringen. Dabei werden weder die Herrschenden im Klassenkampf herausgefordert noch soziale Verteilungsfragen gestellt. Uns erwartet ein hegemoniefähiges Bündnis, das auf die Klimakrise, auf soziale Fragen oder globale Konflikte keine progressiven und emanzipatorischen Antworten liefern kann [1].

Dennoch fühlen sich große Teile unserer Generation von diesem grünen Angebot angesprochen. Während insgesamt Gefühle von Distanz und Ohnmacht gegenüber organisierten Parteien dominieren und das Vertrauen in die Politik sinkt [2], schaffen die Grünen es die Jugend abzuholen, indem sie auf Offenheit und Dialog, auf Pragmatismus und Ideale setzen [1]. Die LINKE ist hingegen kaum relevant – für breite Teile der Klimabewegung wie für unsere Generation als Ganzes. Das bedeutet nicht, dass wir zu den Grünen 2.0 werden wollen. Aber wir müssen noch überzeugender vermitteln, dass wir die besseren Antworten auf die Krisen unserer Zeit haben.

Große Teile unserer Generation verstehen ihr tägliches Erleben nicht mehr als politisch [2]. Diesen Zustand gilt es zu durchbrechen. Denn in Zeiten von geschlossenen Hochschulen, steigenden Mieten, rassistischen Anschlägen, Gesetzen, die die Selbstbestimmung von Frauen und Queers einschränken, rechten Mobilisierungen und antisemitischen Verschwörungsideologien sollte klar erkennbar werden, dass unser Alltag durchaus sehr politisch ist. #unteilbar, Fridays For Future und #BlackLivesMatter haben in den vergangenen Jahren bewiesen, dass in unserer Generation ein riesiges Mobilisierungspotential steckt. Wir haben aber auch erlebt, dass Mobilisierung auf den Straßen fast nie in parlamentarische Beschlüsse übersetzt wird. Bevor Resignation und Enttäuschung weiter Überhand gewinnen, müssen wir Perspektiven schaffen, die den Menschen Mut machen. Die kommenden Wahlkampf-Monate wollen wir also nutzen, um über verschiedene Methoden und Ansätze nachzudenken, mit denen wir unsere Generation weiter politisieren und – viel wichtiger – langfristig organisieren können.

DIE LINKE als bewegungsorientierte und aktive Mitgliederpartei

Wir wollen die Aufmerksamkeit vor den Bundestagswahlen nutzen, um DIE LINKE zu einer aktiven sozialistischen Mitgliederpartei umzugestalten. Die Stimme auf dem Wahlzettel ist für uns zwar nicht irrelevant, viel wichtiger sind uns aber Bildung, Organisierung und Selbstermächtigung. Unser Fokus sollte nicht der sein, dass wir zu politischen Stellvertreter:innen von den Menschen bzw. Wähler:innen werden. Wir wollen gemeinsam mit den Leuten gegen die Auslöser ihrer Sorgen kämpfen.

Unser Ziel ist es, DIE LINKE im Sinne einer bewegungsorientierten und verbindenden Klassenpolitik zu prägen. Sie muss die Partei sein, die Bündnisarbeit in die Parlamente bringt, aber auch Bewegungen aus den Parlamenten heraus stärkt. Sie muss aber auch eine Partei sein, die einen selbstverständlichen Bezug zu Gewerkschaften entwickelt, diesen Druck von links macht und Beschäftigten in der Pflege, im Einzelhandel oder im ÖPNV in ihren verschiedenen betrieblichen Auseinandersetzungen eine nützliche Helferin ist. Dementsprechend sollte unser Fokus darauf liegen junge Leute für Politik zu begeistern, Arbeitskämpfe und soziale Bewegungen zu unterstützen, und vor allem eine verbindende Klassenpolitik in das Zentrum unserer Arbeit zu rücken.

Dafür müssen wir uns als Aktivist:innen in und aus Bewegungen in den innerparteilichen Aushandlungsprozess einbringen. Wir haben noch viel Arbeit vor uns, konsequente klimagerechte, antirassistische und antifaschistische Haltungen in der Partei laut werden zu lassen. Deshalb brauchen wir Kandidat:innen, die sich konsequent für progressive linke Positionen einsetzen. Und diese sollten wir als SDS in unseren lokalen Ortsgruppen, aber auch bundesweit unterstützen. Dazu müssen wir unseren Kommiliton:innen deutlich machen, dass ein positiver Wandel nur dann zustande kommt, wenn sie sich organisieren und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen

#Systemwechsel-Wahlkampagne

Anfang Februar startete die Planung und Durchführung unserer diesjährigen Wahlkampagne “SYSTEMWECHSEL. Zukunft wird gemacht”. Die Kampagne setzt sich aus einem Dreiklang von ideologischer/inhaltlicher Offensive, Organizingansätzen und aktivistischem Wahlkampf zusammen. Auf diese Weise verfolgen wir das Ziel, sowohl die Perspektive eines sozialistischen Systemwechsels wieder stärker an die Hochschulen zu tragen als auch bereits in Ansätzen politisierte Studierende langfristig im Umfeld der LINKEN zu organisieren.

Lese- und Debattenforum

Als erster Schritt innerhalb der Kampagne begann die Planung des Lese- und Debattenforums, welches am 19. April offiziell gestartet ist. Dabei richtet sich das Forum nicht nur an Mitglieder des SDS, sondern hauptsächlich an Studierende und Aktivist:innen, die bereits (in Ansätzen) eine linke Politisierung durchlaufen haben. Über 190 Anmeldungen zeigen, dass das Interesse für ein solches Bildungsangebot sowohl bei Genoss:innen als auch nicht-organisierten Studis sehr groß ist. Gegenwärtige Krisen und Bewegungen bringen eine junge Generation dazu, nach Erklärungen und Lösungsansätzen zu fragen, auf die wir theoretische und praktische Antworten liefern müssen.

Durch eine gemeinsame Aneignung marxistischer Grundbildung soll nicht nur ein sozialistisches Verständnis des kapitalistischen Systems und seiner Krisen vermittelt, sondern auch die Fähigkeit entwickelt werden, klassenbewusste Antworten sowie Perspektiven für einen Systemwechsel zu formulieren. In diesem Sinne konzentriert sich das Forum auf drei Schwerpunkte: Erstens, das Erlangen von Sprechfähigkeit zu aktuellen Geschehnissen in der Welt, indem diese marxistisch eingeordnet und verstanden werden. Zweitens, davon ausgehend die Notwendigkeit politischer Organisierung verstehen, um für eine bessere Welt zu kämpfen. Und drittens, die Fähigkeit Handlungsmöglichkeiten auszuloten, um auch strategische Impulse setzen zu können.

Wir sehen, dass ein großes Interesse nach Bildung, aber auch ein ausgeprägtes Bedürfnis nach einer Zukunftsperspektive sowie gesellschaftlicher Veränderung vorhanden ist, an welches auch wir als Verband anknüpfen müssen. Das Lese- und Debattenforum ist ein erster Versuch den Teilnehmenden das Grundkonzept für langfristige und zielorientierte politische Arbeit zu vermitteln, sowie den SDS als aktivistisches Zuhause und Ort anzubieten, in dem sie das Gelernte vertiefen und in konkreter Aktion anwenden können.

Haustürgespräche

Seit Anfang Mai haben wir den Haustürwahlkampf begonnen. Der Campus, der normalerweise unseren maßgeblichen Aktionsraum darstellt, ist durch die Corona-Pandemie weitgehend weggefallen. Die Haustürgespräche in Studi-Wohnheimen und studentischen Vierteln haben uns jedoch die Möglichkeit eröffnet neue Aktionsräume zu erschließen und trotz Corona auch mit nicht-organisierten Studierenden in den Austausch zu treten. Dabei liegt unser Fokus darauf im Gespräch einerseits zu recherchieren, welche die aktuell dringlichsten Probleme der Studierenden sind, und andererseits ein Angebot der politischen Beteiligung zu unterbreiten, indem wir Einladungen zu Plena, Aktionen oder Veranstaltungen an der Haustür zurücklassen.

Am 07.05. haben wir daher zum Aktionstag „Von der Haustür zum #Systemwechsel“ mobilisiert, an dem sieben Ortsgruppen teilgenommen haben. Dabei ist die überwiegende Mehrzahl der Berichte sehr positiv ausgefallen, woraus wir vor allem zwei Aspekte resümieren wollen:

Eine Generation, die nach Perspektiven fragt

Viele Studierende haben sich über die Gelegenheit zum Gespräch gefreut. Das liegt einerseits an einer langen Phase des Lockdowns und der verminderten sozialen Kontakte. Andererseits hat der Austausch gezeigt, dass wir es mit einer jungen Generation zu tun haben, die sich in den letzten Jahren entlang verschiedener Themen politisiert hat. Die meisten Gespräche drehten sich um die soziale Lage der Studierenden, die Unzufriedenheit über die Corona-Politik der Regierung oder die Klimabewegung. Andere Studierende erzählten von finanziellen Engpässen, vom zeitweiligen Wohnaufenthalt bei den Eltern, da die Miete nicht mehr gestemmt werden konnte, aber ebenso von Einsamkeit in einer fremden Stadt, die aufgrund des Lockdowns auch fremd bleibt. Als SDS stehen wir immer vor der Herausforderung, Studierende langfristig für linke Politik zu gewinnen. In verschiedene Bereiche des Alltags vorzudringen bietet dahingehend die Möglichkeit auch unsere politische Arbeit über den Campus hinaus zu spannen und junge Menschen nicht nur als Studierende, sondern auch als Mieter:innen, Nebenjobber:innen, Frauen, Queers oder von Rassismus Betroffene zu erreichen und politisch einzubinden. Im Zuge der Gespräche haben wir nicht nur Flyer verteilt und Kontaktdaten gesammelt, in einzelnen Gruppen saßen nach dem Aktionstag bereits neue Genoss:innen im Plenum.

Das Werkzeug der Gesprächsführung

Viele Genoss:innen haben berichtet, dass die Gespräche an der Haustür zwar relativ leicht zustande kommen, dass die Brücke zwischen politischem Gespräch und Mitmachangebot aber schwer aufzubauen ist. Als Sozialist:innen können wir solche Aktivierungsgespräche überzeugender führen, wenn wir selbst wissen, weshalb es ein wichtiger Schritt der Selbstermächtigung ist sich politisch zu organisieren. Indem wir uns dieses Wissen immer wieder von neuem aneignen und vergegenwärtigen, erlangen wir die Grundlage für aktivierende, aber auch fundierte Sprechfähigkeit, um das alltägliche Leben mit der Notwendigkeit von politischer Organisierung in Verbindung zu setzen.

Letztlich reihen sich die Haustürgespräche in die Methoden der Vorlesungsinterventionen und 1:1-Gespräche ein. Wir wollen Studierenden die Möglichkeiten zur Beteiligung aufzeigen, unabhängig davon, ob es sich um eine Bildungsveranstaltung, ein SDS-Plenum oder eine Demonstration handelt. Durch ein vermehrtes Auftreten des SDS im Haustürwahlkampf können wir unser Repertoire an Aufbaumethoden erweitern. Insbesondere im Hinblick auf studentische Bewegungen und Kämpfe an der Uni haben die Haustürgespräche viel Potential. Durch konkrete Anlässe wie TV-Stud oder den nächsten Global Climate Strike können Haustürgespräche, ausgestattet mit einer sozialistischen Vision und Vorschlägen für konfliktorientierte Praxis, die Dringlichkeit für eine Organisierung im hier und jetzt schärfen. Das Werkzeug der Gesprächsführung müssen wir daher auch nach den Bundes- und Landtagswahlen weiter vertiefen.

Aktivistischer Wahlkampf

Neben der Bildungsarbeit im Lese- und Debattenforum und der systematischen Organisierung durch die Haustürgespräche wollen wir natürlich ein weiteres Element in den Wahlkampfsommer einfließen lassen, in welchem der SDS besonders gut punkten kann: den aktivistischen Wahlkampf! Beim Aktionstag des Haustürwahlkampfes haben wir gesehen, dass gemeinsame, bundesweite Aktionen Motivationsbooster sind. Außerdem stärken wir damit unser internes Zusammengehörigkeitsgefühl und bündeln in der Vor- und Nachbereitung unsere Ressourcen gruppenübergreifend. Dafür wollen wir den Austausch zu Aktionen und Terminen in den einzelnen Ortsgruppen stärker ankurbeln und verstetigen. Wir müssen unsere überregionale und pluralistische Aufstellung in den Ortsgruppen stärker nutzen, um uns aktivistisches Handwerkszeug anzueignen, sowie gesammelte Ideen, Erfahrungen und Strategien auszutauschen und weiterzuentwickeln.

Wir wollen viele verschiedene Kämpfe unterstützen und in unserer Praxis verbinden. Dafür ist es wichtig, dass wir immer wieder Präsenz bei Aktionen und auf Demonstrationen zeigen, uns als relevante Bündnispartner:innen anbieten und unsere sozialistischen Analysen in diesen Kämpfen stark machen. Außerdem müssen wir mutig sein und neue Formate ausprobieren! Die politische Linke neigt dazu die gleichen Aktionsformen zu wiederholen, aber der Erfolg wird nicht immer genügend reflektiert. Hier haben wir die Möglichkeit zu experimentieren und neue Wege zu gehen. Es braucht daher kreativen Input aus dem gesamten Verband, um gemeinsam Ideen zu entwickeln, mit denen wir den Wahlkampf spannend und attraktiv gestalten können.

Unsere Perspektive

Unabhängig von den Wahlergebnissen, wird sich ohne Druck auf den Straßen und ohne ökonomische Machthebel wenig am politischen Kurs des Neoliberalismus ändern. Daher brauchen wir eine starke, selbstbewusste und rebellische LINKE, welche als Sammelpunkt für die politischen Interessen der Arbeiter*innenklasse dient. Eine Aufgabe der nächsten Jahre wird es sein, die geeignetsten Mittel zu erproben, welche uns diesem Ziel näherbringen.

Unsere Erzählung

Wenn wir das Gehör der Menschen finden wollen, brauchen wir eine ehrliche und schlüssige Erzählung. Doch wenn wir Menschen in Bewegung versetzen wollen, so müssen wir sie davon überzeugen, dass eine andere Welt möglich ist. Daher muss eine gute Erzählung konkrete Ziele benennen, mit denen all jene übereinstimmen, die wir für den Aufbau einer sozialistischen Mehrheit in einer pluralen Arbeiter:innenklasse gewinnen wollen. Dabei ist es wichtig auszustrahlen, dass wir diese Ziele auch erreichen können – ob in der Enteignungsfrage von “Deutsche Wohnen und Co.”, der Abschaffung des Fallpauschalensystems an den Krankenhäusern oder im Kampf gegen die rassistische Polizei – nur so schaffen wir es das Gefühl zu vermitteln, dass wir tatsächlich Veränderungen bewirken können. Die individuelle, aber vor allem die kollektive Handlungsfähigkeit muss ein zentraler Punkt unserer Erzählung sein. Sie ist ein wichtiger Faktor, von dem kollektives Handeln ausgeht. Dazu gehört aber auch, dass wir unsere Stärken systematisch fördern, unsere Ressourcen gezielt nutzen, unsere Schwächen abbauen und die Herausforderungen mit den richtigen Mitteln angehen – denn wir dürfen nicht unterschätzen, wie stark die Gegenseite ist. Wenn wir gewinnen wollen, müssen wir unsere Spaltungslinien überwinden, um uns vereint und handlungsfähig zusammenfinden zu können.

Unsere Sprechfähigkeit

Eine Erzählung allein reicht aber nicht aus, wenn es uns nicht gelingt sie gut zu vermitteln: Deswegen muss auch die Erprobung unserer Sprechfähigkeit ein zentrales Element unserer politischen Praxis sein. Um die Welt verändern zu können, müssen wir sie nicht nur verstehen, sondern auch verständlich machen. Sprechfähigkeit hilft uns nicht nur an den Haustüren, unser alltägliches Leben politisch einzuordnen, sondern befähigt uns auch, unsere Analysen einzubringen und unsere Positionen stark zu machen – sei es unter Freund:innen, in der Uni oder in Bündnissen mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteur:innen. Nur wenn wir es lernen unsere Vision zu vermitteln, werden wir auch erfolgreich sein.

Zusammenfassend stellen wir fest, dass wir uns einer Generation gegenübersehen, die in weiten Teilen politisiert ist, die nach Stabilität und Sicherheit fragt und die auf der Suche nach Perspektiven für die Zukunft ist. An diese Gegebenheiten und Bedürfnisse können wir als SDS anknüpfen, indem wir Worte für die realen Ungerechtigkeiten finden, Zusammenhänge verstehen und gleichzeitig Möglichkeiten der Veränderung aufzeigen. Dazu braucht es wiederkehrende Bildungsangebote, die nicht nur eine schlichte Vermittlung marxistischer Grundlagen darstellen, sondern dieses Wissen in den Kontext aktueller Kämpfe setzen und Handlungsperspektiven eröffnen. In diesem Sinne kann eine tiefergehende Ausbildung in Organizing-Methoden dazu beitragen, unsere Analyse und Praxis auch für die breite Masse anschlussfähig zu gestalten. Und zuletzt brauchen wir mehr aktivistische Vernetzung innerhalb des Verbandes, die auf gemeinsam angelegte Aktionen abzielt und es uns leichter macht auf Erfahrungen und Ressourcen zurückzugreifen

Die Systemwechsel-Kampagne ist ein erster experimenteller Ansatz, um diese Überlegungen in den SDS einzuführen. Nach der Bundestagswahl muss dieser ausgewertet, verbessert und entsprechend im Verband verstetigt werden.

[1] Becker, Lia / Nagel, Sarah: Das grüne Projekt, in: Luxemburg, Gesellschaftsanalyse und linke Praxis (Mai 2021), https://www.zeitschrift-luxemburg.de/das-gruene-projekt/

[2] Lill, Max: Was bewegt die “Generation Greta”?, in: Luxemburg. Gesellschaftsanalyse und linke Praxis (Mai 2021), https://www.zeitschrift-luxemburg.de/was-bewegt-die-generation-greta/

A3. Feministische und antikapitalistische Solidarität mit Sexarbeiter:innen!


Als feministischer Studierendenverband solidarisieren wir uns mit Sexarbeiter:innen und unterstützen ihre Kämpfe gegen Kriminalisierung und Stigmatisierung der Sexarbeit. Wir setzen uns für sichere Rahmenbedingungen und gleichberechtigten Zugang zu gesundheitlichen, sozialen und rechtlichen Leistungen unabhängig von Geschlecht oder Aufenthaltsstatus ein. Mit diesen Positionen wollen wir in DIE LINKE und die Gesellschaft hineinwirken, um Stigmatisierung und Kriminalisierung von Sexarbeit entgegenzutreten.

Sexarbeit ist Lohnarbeit, Sexarbeit ist vielfältig

Wir wollen in unserer politischen und theoretischen Tätigkeit mit einem differenzierten und emanzipierten Bild der Sexarbeit arbeiten. Für uns ist klar: Sexarbeit ist Lohnarbeit, bei der sexuelle Dienstleistungen gegen Geld verkauft werden. Außerdem fassen wir eine Vielfalt an Dienstleistungen (physischer Sexualverkehr, telefonischer Sex, Darstellen in pornographischen Medien, Lap dancing, Escortservices, Webcam Modeling, …) unter den Sexarbeitsbegriff. Wir berücksichtigen überdies die Vielfalt an Lebensrealitäten unter den Sexarbeiter:innen, die sich auch daraus ergibt, dass Menschen mit verschiedenen Geschlechtern, Sexualitäten, Aufenthaltsstatus etc. in der Sexarbeit tätig sind.

Wir befinden in diesem Sinne Perspektiven für verkürzt, die in der Sexarbeit notwendigerweise ein patriarchales Ausbeutungsverhältnis von einer Frau durch einen Mann sehen. Gleichermaßen stellen wir uns gegen Positionen, die Sexarbeit mit Menschenhandel und Zwangsprostitution gleichsetzen. Aus dem Kapital haben wir gelernt, dass im Kapitalismus jede Lohnarbeit von Ausbeutung geprägt ist. Die Arbeiter:innen müssen außerdem ihre Lohnarbeit verkaufen, um zu überleben. Wir sind uns der vielfältigen ausbeuterischen Phänomene in der Sexarbeit dementsprechend genauso bewusst wie derer in der landwirtschaftlichen Produktion und der Industrie. Sexarbeit ist Lohnarbeit wie jede andere und damit keine Ausnahme, sondern Teil der Regel. Aber ausgerechnet Sexarbeit unterbinden zu wollen, weil sie allein als Ausbeutung untragbar sei, ist eine falsche und gefährliche Herangehensweise. Sie fußt auf einem rein moralischen Argument, das sich aus einem patriarchalen Verständnis der menschlichen Sexualität ergibt.

Gegen Kriminalisierung kämpfen heißt Armut bekämpfen

Die moralische Herangehensweise wird allzu oft verwendet, um ein Verbot der Sexarbeit, sei es ein Sexkaufverbot nach dem sog. „nordischen Modell“ oder ein Sexverkaufsverbot, zu rechtfertigen. Doch genauso wie es sinnfrei wäre, die landwirtschaftliche Produktion in Südeuropa als Ganze zu verbieten, hilft eine Kriminalisierung der Sexarbeit nicht dabei, Menschenhandel und Zwangsarbeit entgegenzuwirken. Denn die Nachfrage nach Sexarbeit besteht mit und ohne Verbot gleichermaßen, genauso wie die Notwendigkeit des Gelderwerbs für Sexarbeiter:innen bestehen bleibt. Eine Kriminalisierung der Sexarbeit wirkt daher kontraproduktiv und schadet hauptsächlich den Arbeiter:innen.

Vor allem wird vielen Sexarbeiter:innen durch die Illegalisierung ihrer Tätigkeit die Existenzgrundlage entzogen. Auch das nordische Modell richtet sich somit letztendlich gegen die Arbeiter:innen, indem es sie, insbesondere in Zeiten von neoliberaler Austerität und wachsender Ungleichheit, in die Armut treibt. Dies trifft auch Studierende, für die Sexarbeit als Nebenerwerb wichtig ist. So sind 4-7% der Studis Sexarbeiter:innen, darunter überdurchschnittlich viele, die keine oder geringe finanzielle Unterstützung von ihrer Familie erhalten, die verschuldet sind und die keinen Zugang zu Stipendien oder Studienkrediten haben.[1] In Anbetracht eines unzureichenden BAföGs, steigender Lebenshaltungskosten an den Studienorten und einer Corona-Krise, die für viele den Verlust des Nebenjobs bedeutet hat, ist also eine jede Kriminalisierung oder Einschränkung von Sexarbeit eine existentielle Gefahr für Studierende, vor allem für die finanziell schwächsten. Wir setzen uns dafür ein, die Sexarbeit als Nebenerwerb zu schützen, insbesondere weil wir als Studierendenverband wissen, dass Sexarbeiter:innen ein Teil von uns sind.

Eine Kriminalisierung der Sexarbeit ist außerdem ein Angriff auf queere und migrantische Communities, da in diesen die Sexarbeit häufiger als Erwerbsoption vorkommt. Queere Menschen haben aufgrund von Homo- und Transphobie erschwerten Zugang zu Bildung und Beschäftigung, in vielen Fällen keine finanzielle Unterstützung aus staatlich anerkannten Familienstrukturen und sind daher häufiger in der Sexarbeit tätig. Dasselbe gilt für PoC, die bei der Jobsuche diskriminiert werden, oder migrantische Personen ohne Aufenthalts- und/oder Arbeitserlaubnis. Sexarbeit zu erschweren, bedeutet konkret, marginalisierten Communities finanzielle Mittel zu entziehen.

Kriminalisierung gefährdet Sexarbeiter:innen

Eine verstärkte Verarmung geht einher mit einem erhöhten Gefahrenpotential, da sich auf Bedingungen eingelassen werden muss, die ohne Existenznöte nicht angenommen werden würden (z.B. geringere Bezahlung, längere Arbeitszeiten, gefährliche Freier:innen, ungeschützte Sexualpraktiken, …). [2] Aber auch auf direktere Weise zeigt sich in der Erfahrung, dass die Gewalt an Sexarbeiter:innen sich vervielfacht, wenn Sexarbeit kriminalisiert wird. Denn einerseits wissen Freier:innen dann, dass Sexarbeiter:innen rechtlich ungeschützt und ökonomisch schwächer sind und können das daraus resultierende Machtungleichgewicht ausnutzen. Andererseits verkürzt sich durch polizeiliche Überwachung die Aushandlungszeit auf der Straße und wird an abgelegenere Orte verlegt, wodurch die Verhandlungen über den Rahmen des verkauften Dienstes und der Informationsgewinn über die Freier:innen erschwert werden. Die Erfahrung zeigt, dass dadurch Übergriffe häufiger vorkommen, die dann aber auch schwerer angezeigt werden können. [ebd.] Dies trifft insbesondere queere Sexarbeiter:innen, die systematisch stärker Gewalt ausgesetzt sind und in den üblichen Diskursen um Sexarbeit oft ausgeblendet werden, wenn nur ein Dienstleistungsverhältnis zwischen cis-Mann und cis-Frau in den Blick genommen wird.  Laut dem Trans Murder Monitoring Project von Transgender Europa waren zwischen 2008 und 2020 62% der ermordeten Trans:personen von Beruf Sexarbeiter:innen. [3]

Doch auch von den Behörden selbst geht Gewalt gegenüber Sexarbeiter:innen aus. Das Sex Workers´ Rights Advocacy Network (SWAN) hat so festgestellt, dass 41,7% der Sexarbeiter:innen körperliche Gewalt durch die Polizei erfahren haben, 36,5% wurde sexualisierte Gewalt angetan. [4] Wird der Polizei durch Kriminalisierung das Recht gegeben, Sexarbeiter:innen und ihre Kund:innen zu verfolgen und zu überwachen, wird diese Gewalt strukturell gerechtfertigt und befördert.  Dazu kommt, dass Gesetze zur Sexarbeit häufig dazu instrumentalisiert werden, Trans:sexuelle zu verhaften. Zum Bespiel durch „Walking-while-Trans:“ Praktiken, die basierend auf der Wahrnehmung, trans: gelesene Personen (vor allem Migrant:innen oder PoC) seien Sexarbeiter:innen, ihre Durchsuchung und Verhaftung ermöglichen. [s. z.B. 5] Auch ist es vielerorts Praxis, anhand der Zahl mitgeführter Kondome den Vorwurf illegaler Sexarbeit festzumachen. [6] Häufig werden Sexarbeiter:innen auch von den Behörden zwangsweise auf HIV getestet. [7] In all diesen Verletzungen von Grund- und Menschenrechten greifen Rassismus, Transphobie und Feindlichkeit gegenüber Sexarbeiter:innen ineinander. Auch das nordische Modell schützt Sexarbeiter:innen nicht, denn diese werden oft verstärkter Überwachung ausgesetzt, um über sie an die kriminalisierten Freier:innen heranzukommen. [8] Anstatt der rassistischen und queerfeindlichen Institution der Polizei weitere Vorwände in die Hand zu geben, Menschen zu schikanieren, zu terrorisieren und zu überwachen, stellen wir uns als Antirassist:innen und Feminist:innen also gegen eine Einschaltung der „Sicherheits“behörden in das Berufsleben der Sexabeiter:innen.

Neben ökonomischen Konsequenzen und der Gefahr für die (körperliche) Sicherheit folgt aus einer Kriminalisierung auch gesellschaftliche Ausgrenzung. So können Sexarbeiter:innen, deren Arbeit nicht staatlich anerkannt wird, keinen Zugang zum Sozialversicherungssystem und damit zu Gesundheitsversorgung und Altersvorsorge erhalten. So kommt es zum Beispiel zu einer Unterversorgung an Behandlungen von Geschlechtskrankheiten, was wiederum in der Gesellschaft eine Brandmarkung von (queeren) Sexarbeiter:innen als krank oder ansteckend bewirkt hat. Genauso erhalten Drogenabhängige Sexarbeiter:innen keinen Zugang zu Unterstützung oder Beratung. Auch der Zugang zu rechtlichen Leistungen wird erheblich eingeschränkt, wenn die eigene Tätigkeit nicht öffentlich kenntlich sein darf. Im Falle des nordischen Modells zeigt sich die Versagung von Menschenrechten in der Praxis: der Zugang zum Wohnungsmarkt wird massiv erschwert, da Vermieter:innen vorgeworfen werden kann, sie würden Sexarbeit begünstigen, wenn sie an Sexarbeiter:innen vermieten. [ebd.] Die Organisierung oder der Zusammenschluss von Sexarbeiter:innen wird aus dem gleichen Grund kriminalisiert. Insbesondere sind queere und migrantische Sexarbeiter:innen betroffen. Diesen wird die aufgrund von Diskriminierung oder fehlendem Aufenthaltsstatus sowieso schon mangelnde gesellschaftliche Teilhabe zusätzlich erschwert.

Das eigentliche Problem heißt Stigmatisierung

Wie in jedem anderen Wirtschaftssektor gilt also auch für die Sexarbeit, dass die Rechte der Arbeiter:innen, ihre ökonomische und körperliche Sicherheit stärker gefährdet sind, wenn es sich um illegalisierte Arbeit handelt. Es ist damit inkonsequent, unter dem Vorwand, Sexarbeiter:innen schützen zu wollen, ein Verbot der Sexarbeit zu fordern. Vielmehr folgt diese Forderung aus einer Stigmatisierung der Sexarbeit an sich, genauer gesagt aus dem sog. Hurenstigma. Dieses entsteht aus der patriarchalen Vorstellung, Frauen würden beim Sexualakt ihr gesamtes Selbst, ihr Innerstes, ihre Identität hingeben. Frauen werden im patriarchal verstandenen Sexualakt außerdem als passiver Teil gesehen, dem Sex nur angetan wird. Dadurch wird Sexarbeiter:innen einerseits zugeschrieben, sie seien passiv, unwissend oder unbedarft. Dies negiert die Tatsache, dass in einem Vertragsverhältnis nicht nur Geld Macht bedeutet, sondern auch der:die Sexarbeiter:in mit seiner:ihrer Sexualität aktiv an der Ausgestaltung teilnehmen kann. Ein patriarchales Verständnis von Sexualität spricht aber Sexarbeiter:innen ab, selbstbestimmte, rationale Entscheidungen über ihre Sexualität treffen zu können.

Die Sexarbeit zu schützen, wird damit eine Frage der Selbstbestimmung. Für uns ist die Freiheit, einvernehmlichen Sex zu haben mit wem man will, zu welchen Bedingungen man will, genauso dem Feminismus wesenhaft, wie es das Recht auf Abtreibung und die Akzeptanz queerer Lebensweisen sind. Denn ob Trans:personen sich externe Gutachten einholen müssen, damit der Staat ihr Geschlecht anerkennt, ob Menschen die Sterilisierung versagt wird, weil sie scheinbar noch zu jung seien um irreversible Entscheidungen zu treffen, ob Homosexuelle einer Konversionstherapie unterzogen werden, oder ob behauptet wird, Sexarbeiter:innen seien immer Opfer sexueller Gewalt; es zieht sich ein Muster durch, bei dem Personen abgesprochen wird, selbstbestimmt Entscheidungen über die eigene Identität und den eigenen Körper treffen zu können oder zu dürfen. Wir wissen dagegen, dass Sexarbeiter:innen eine sexuelle Dienstleistung verkaufen und nicht ihren Körper oder ihre Identität, weil wir eine Person nicht als Ganze über ihre Sexualität definieren. Sexarbeit kann so wie ein jeder anderer Job sein, bei dem man Arbeitskraft gegen Lohn verkauft. Aber gerade für weibliche und/oder queere Sexarbeiter:innen kann sie ein Moment sein, in welchem sie sich der eigenen Macht bewusstwerden und die eigene Sexualität in die Hand nehmen können. In einem Kapitalismus, der Sexualität bis aufs kleinste gewaltsam zu regulieren sucht, kann das selbstbestimmte Einsetzen der Sexualität als Kapital der Ausdruck der eigenen Handlungsfähigkeit und damit revolutionäres Moment sein.

Das Problem der Sexarbeit ist also nicht, dass Sexualität eingesetzt wird, um Dienstleistungen bereitzustellen, sondern vielmehr die Stigmatisierung des selbstbestimmten Umgangs mit Sexualität. Die Stigmatisierung sorgt für unsichere Arbeitsbedingungen, indem sie Sexarbeiter:innen ins Verborgene zwingt. Die Stigmatisierung sorgt für Verarmung und fehlende Versorgung der Grundbedürfnisse, da sie die Kriminalisierung der Sexarbeit rechtfertigen soll.

Sexarbeiter:innen schützen als intersektionaler Kampf für Arbeiter:innenrechte

Für uns ist dagegen klar: alle Menschen haben das Recht, die eigene Sexualität zum Gelderwerb einzusetzen, ohne dafür stigmatisiert zu werden. Wir kämpfen mit Sexarbeiter:innen für sexuelle Selbstbestimmung und ökonomische Unabhängigkeit. Doch dafür müssen sichere Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Dies setzt eine Entkriminalisierung der Sexarbeit und eine Befreiung vom Hurenstigma voraus. Der Kampf dafür ist auch ein feministischer, queerer und anti-rassistischer, da er von Armut und Polizeigewalt betroffene Communities schützt. Anstatt Sexarbeit – sei sie Überlebensstrategie oder Selbsterfüllung – zu verurteilen und zu kriminalisieren, müssen wir als intersektionale Feminist:innen dafür kämpfen, Entscheidungsspielräume insbesondere für Frauen, Migrant:innen, queere und ärmere Menschen zu erweitern, indem wir ökonomischer Not und Stigmata entgegentreten. Sexarbeiter:innen brauchen keine Rettung seitens der Polizei, dem Staat oder den Linken, sie brauchen Rechte, sie brauchen Organisierung, sie brauchen Anerkennung. Wer in einem mörderischen Kapitalismus Überlebensstrategien von Proletarier:innen einschränkt, sie Wohnungslosigkeit und Polizeigewalt aussetzt, handelt nicht links, sondern klassistisch und gewaltsam. Und wer einem Paternalismus verfällt, der Menschen abspricht, ihre Sexualität selbstbestimmt zu kontrollieren, ist nicht Feminist:in, sondern perpetuiert patriarchale Herrschaftsmuster.

Als feministische Sozialist:innen kämpfen wir also nicht für eine schädliche Illegalisierung der Sexarbeit, sondern Seite an Seite mit den Sexarbeiter:innen gegen Kriminalisierung und Stigmatisierung. Sexarbeit zu schützen ist keine moralische oder theoretische Frage, es ist eine Frage realexistenter Lebensrealitäten von Arbeiter:innen, auf deren Seite wir uns selbstverständlich stellen. Das bedeutet, Sexarbeiter:innen zuzuhören, ohne ihre Handlungsfähigkeit in Frage zu stellen, und sie zu unterstützen, wo und wie sie es wollen. Es bedeutet auch, Bestrebungen nach einer öffentlich wahrnehmbaren, schlagkräftigen Organisierung der Sexarbeiter:innen zu unterstützen und insofern mit ihren Initiativen zusammenzuarbeiten. Und es bedeutet, die Vielfalt ihrer Lebensrealitäten anzuerkennen und in Debatten, Politikgestaltung und Entscheidungsfindung einzubeziehen. Wir brauchen eine breite und solidarische Unterstützung aller Lohnarbeitendenkämpfe. Sexarbeitende hier mitzudenken und mit ihnen gemeinsam für eine Anerkennung ihrer Tätigkeit als Lohnarbeit, bessere Arbeitsbedingungen, gewerkschaftliche Organisierung und für eine Entstigmatisierung zu kämpfen, heißt kapitalistische Unterdrückungsstrukturen aufzudecken und diese zu durchbrechen.

Was wir fordern

  • DIE LINKE soll ihren parlamentarischen und gesellschaftlichen Einfluss nutzen, um sich gegen Kriminalisierung und Stigmatisierung von Sexarbeit einzusetzen. Sie soll außerdem für die Verbesserung der finanziellen Situation der Sexarbeiter:innen und ihres Zugangs zu gesundheitlichen, rechtlichen und sozialen Leistungen kämpfen.
  • Die Linke.SDS unterstützt nicht nur die emanzipatorischen Kämpfe der Sexarbeiter:innen, sondern arbeitet aktiv mit Initiativen von Sexarbeiter:innen zusammen und trägt ihre Positionen weiter. Der Verband strebt an, bei der Organisierung von Sexarbeiter:innen, insbesondere unter Studierenden, mitzuwirken.
  • Die Linke.SDS tritt innerhalb von DIE LINKE und der Gesellschaft lautstark für Sexarbeiter:innen ein und gegen Positionen, die ihre Handlungsfähigkeit, ihre Würde oder ihre berufliche Existenz in Frage stellen.
  • In der Corona-Krise muss gewährleistet sein, dass Sexarbeiter:innen trotz entfallenen Einkommens eine gesicherte Existenz haben. Dafür muss von staatlicher Seite ausreichende, flächendeckende finanzielle Unterstützung vergeben werden.
  • Die rassistische Politik um den Aufenthaltsstatus muss enden. Menschen ohne Aufenthaltsstaus müssen genauso Zugang zu Versorgung, Arbeitsmarkt und Menschenrechten erhalten wie alle anderen.
  • Das ProstSchG muss reformiert werden. Eine Melde- und Ausweispflicht für einen stigmatisierten Beruf stellt eine unnötige Gefährdung der Sexarbeiter:innen dar und treibt viele in die Illegalität, außerdem bedeuten viele der eingeführten Auflagen erhöhte Kosten für Sexarbeiter:innen.

[1] Betzer, F., Köhler, S., & Schlemm, L. (2015). Sex work among students of higher education: A survey-based, cross-sectional study. Archives of Sexual Behavior, 44(3), 525-528.).

[2] Global Network of Sex Worker Projects (nswp) (2017): The Impact of Criminalisation on Sex Workers’ Vulnerability to HIV and Violence. Abrufbar unter: https://www.nswp.org/resource/the-impact-criminalisation-sex-workers-vulnerability-hiv-and-violence.

[3] Trans Murder Monitoring Project (2020): Update 2020. Transrespect.org

[4] Crago, A-L. (2009.) Arrest the Violence: Human Rights Abuses against Sex Workers in Central and Eastern Europe and Central Asia. Budapest: Sex Workers’ Rights Advocacy Network (SWAN).

[5] Arnold, A. (2020): A Guide to the ‘Walking While Trans’ Ban. Abrufbar unter: https://www.thecut.com/2020/07/walking-while-trans-law-in-new-york-explained.html

[6] Open society foundations (2012): Criminalizing Condoms. Abrufbar unter: https://www.opensocietyfoundations.org/reports/criminalizing-condoms#publications_download

[7] International Committee on the Rights of Sex Workers in Europe (ICRSE)(2015): Underserved. Overpoliced. Invisibilised. LGBT sex workers do matter. Abrufbar unter: https://www.nswp.org/resource/underserved-overpoliced-invisibilised-lgbt-sex-workers-do-matter

[8] Nielsen, Alek (2018): On The “Nordic Model”: The Ongoing Criminalization Of Sex Workers. Abrufbar unter: https://medium.com/pulpmag/nordic-model-the-ongoing-criminalization-of-sex-workers-in-northern-europe-c1df02ba94ae

A4. 8. Mai – Erinnerung, die das Menschenrecht feiert

 

„Der 8. Mai ist in vielen Ländern Europas längst ein Feiertag. In Deutschland wird vom “Tag der Niederlage” gesprochen, das sei kein Tag zum Feiern. Kritiker sollten aber einfach mal darüber nachdenken, wie wir heute leben würden, wenn die Nazis den Krieg gewonnen hätten! Der 8. Mai ist ein Tag der Hoffnung, ein Tag des Nachdenkens! Und wir sollten das Grundgesetz feiern, das in seinem Verständnis von Freiheit, Demokratie und Menschenwürde ein klarer Gegenentwurf zur NS-Herrschaft ist, die am 8. Mai 1945 endete.“

Esther Bejarano, Vorsitzende des Internationalen Auschwitz-Komitees und KZ-Überlebende, Rede am 3. Mai 2021 zum Tag der Befreiung [1]

Der Jahrestag der Befreiung Deutschlands von Faschismus und Krieg, der 8. Mai 1945, ist eine positive Zäsur in der Geschichte der Menschheit. Die Überwindung der grausamsten Form kapitalistischer Gewaltherrschaft in Europa, die die organisierte Arbeiter*innenbewegung zerschlug und mit dem industriellen Massenmord an Menschen des jüdischen Kulturkreises und mit dem Vernichtungsfeldzug zur Versklavung Osteuropas binnen sechs Jahren Krieges zwei Völkermorde verbrochen haben, war ein Beginn: Die Menschen verschiedenster Kulturen, Systeme und Gesellschaften lernten bewusst zusammenzuarbeiten. Für Frieden, Gerechtigkeit und Humanität wurden scheinbar unüberbrückbare Differenzen überwunden.

Die Befreiung wäre nicht denkbar ohne den Widerstand in den besetzten Gebieten, die eindringliche Aufklärungsarbeit von Intellektuellen und Emigrierten in den USA, die Flugblätter der weißen Rose, den aufrechten Gang von Kommunist*innen und Sozialdemokrat*innen, und den Lebenswillen der Verfolgten, die sich gegen die Entwürdigung auch ihrer Mitmenschen zur Wehr setzten.

Die Feier des 8. Mai als Jahrestag der Befreiung erinnert an die Geschichte vielfältiger kultureller, sozialer und intellektueller sowie höchst couragiert kämpferischer Aktivität für eine Menschheit, die sich in Frieden und Gerechtigkeit eint. Diese geschichtliche Bewegung steht vor neuen Herausforderungen. Es ist originärer Sinn von Bildung und Wissenschaft, daran mitzuwirken. In diesem Verständnis beteiligt sich dielinke.SDS an den Feierlichkeiten zum 8. Mai und den Appell, den Tag der Befreiung auf Dauer zum gesetzlichen Feiertag zu machen.

So lernen wir auch aus der nicht zustande gekommenen Einheitsfront von KPD und SPD vor 1933 und der später im Widerstandskampf gelungenen Einheitsfront für heute. Wir weisen auch die aktuellen Versuche zurück, die Geschichte zu verfälschen indem die Sowjetunion vom Befreier zur Ursache des Krieges versucht wird umzudeuten oder die DDR mit dem deutschen Faschismus gleichgesetzt wird. All dies für die heutige NATO-Aggression gegen Russland.

Wir werden uns als dielinke.SDS an der Kampagne für den 8. Mai als Feiertag beteiligen, dafür im Verband mobilisieren und eigene Publikationen dazu erstellen. Wir beteiligen uns oder initiieren in den verschiedenen Städten und bundesweit an Feierlichkeiten am 8. Mai und mobilisieren dazu. Wir setzen uns an den Hochschulen für die Auseinandersetzung mit dem 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus in Studium und Forschung ein, initiieren Projektwochen und Veranstaltungen dazu und wirken auf Diskussionen und entsprechende Beschlüsse in den Gremien der Akademischen und Studentischen Selbstverwaltung hin.

[1] Hier die ganze Rede von Esther Bejarano, 3.5.21: https://www.auschwitz-komitee.de/esther-bejarano-wir-sind-da-meine-befreiung-im-mai-1945-und-meine-hoffnungen/

A7. Solidarische Krisenlösung statt Aufrüstung: Für eine zivile Wissenschaft im Interesse der Menschheit

„Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde! Lasst uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind! Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden.“

Bertolt Brecht, an den Wiener Völkerkongress für den Frieden, 1952.

Die Hochschule ist ein Ort der Wissenschaft, nicht des Krieges. Im Zuge der COVID-19-Pandemie zeigt sich verstärkt, was linke Wissenschaftler:innen und die Friedensbewegung seit Jahrzehnten deutlich machen: Nur eine ausfinanzierte Wissenschaft, die die zivilen Herausforderungen unserer Zeit in den Mittelpunkt stellt und gegen das Kapital stattfindet, ist in der Lage, Probleme wie Armut, Hunger, Krankheit, mangelnde medizinische Versorgung und gesellschaftliche Konflikte zu beheben und damit die Krisen auf dieser Welt zu lösen.

Während die Pandemie weltweit die soziale Ungleichheit befördert, für Elend und Armut sorgt und am Beispiel der globalen Impfapartheid weltweit und der medizinischen Unterversorgung in großen Teilen des Erdballs das Machtgefälle zwischen globalem Norden und Süden deutlicher denn je aufzeigt, während Universitäten, Bibliotheken, Museen, Theater und andere wissenschaftliche und kulturelle Institutionen für das Zusammenkommen und die politische Intervention geschlossen sind, beteiligen sich zu viele Hochschulen in Deutschland ungebremst an der Aufrüstung und Konfliktverschärfung. Gefördert wird dies von der Bundesregierung.

Das 2020 beschlossene Konjunkturpaket war medial vor allem deshalb präsent, weil mit diesem die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung und der lächerliche Familienbonus beschlossen wurde. In der Öffentlichkeit kaum diskutiert ist der Fakt, das ein erheblicher Teil des aufgewendeten Geldes in den Ausbau militärischer Industrie- und Forschungszweige fließt: Je zwei Milliarden Euro werden bis 2025 in die Erforschung und Entwicklung von Künstlicher Intelligenz und Quantentechnologien investiert. Häufig nicht, um einen Erkenntnisgewinn und eine Verbesserung der Lebensbedingungen im Sinne aller zu ermöglichen, sondern um diese Technologien zum Ausbau militärischer Technologien zu benutzen. Das Konjunkturpaket kündigt darüber hinaus ein weiteres Forschungszentrum der Bundeswehr mit dem Schwerpunkt Digitalisierungsforschung an.

Ebenfalls im Jahr 2020 nahm die sogenannte Cyberagentur ihre Arbeit auf. Ziel dieser von den Bundesministerien für Verteidigung und des Innern ins Leben gerufenen Institution ist die Beförderung sicherheitspolitischer Forschungszweige auch an staatlichen Hochschulen und anderen öffentlichen Einrichtungen. Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) schätzt sie richtig als eine Kampfansage an Zivilklauseln ein. Als intransparente Institution soll die Cyberagentur eine Vermittlerrolle zwischen Drittmittelinvestoren und Hochschulen spielen und die ohnehin schon wenig vorhandene Aufsicht durch demokratische Gremien noch erschweren.

Insgesamt sind die Ausgaben für Rüstung im Jahr 2020 trotz der Pandemie stark gestiegen. Statt alle möglichen Mittel in die Lösung der gesellschaftlichen und medizinischen Krise zu stecken, ist für Deutschland und alle anderen NATO-Staaten die Erhöhung des Konfliktpotentials offenbar von höherer Relevanz.

All diese Tendenzen stehen im Widerspruch zu den Herausforderungen, denen wir uns dieser Tage stellen müssen. Ein gutes Leben für alle ohne Krieg, Hunger, Armut, Verfolgung und Lebensgefahr zu verwirklichen, ist eine der zentralen Aufgaben unserer Zeit. Die Pflicht der Hochschulen muss es daher sein, ihre Wissenschaft ganz in den Diensten einer allgemeinen Verbesserung des menschlichen Daseins zu betreiben, statt sich Rüstungsindustrie und Militär für Drittmittel anzubiedern. Forschung, die der Aufrüstung und dem Erhalt von Machtgefällen dient, ist nicht in der Lage, die COVID-19-Pandemie zu bezwingen, den Welthunger zu beenden, Geschlechtergerechtigkeit zu realisieren und die Klimakrise in den Griff zu bekommen.

In Zeiten der Eindämmung des gesellschaftlichen Miteinanders und des Vorantreibens von Vereinzelung ist es umso erfreulicher, dass es in zahlreichen Städten, darunter Berlin, Heidelberg, Braunschweig und Hildesheim, Initiativen gibt, die zu dem Ziel, eine ausschließlich friedensorientierte Wissenschaft stattfinden zu lassen, hinarbeiten. 2020 startete zudem die Volksinitiative gegen Rüstungsexporte, die für eine Zivilklausel im Hamburger Hafen aktiv ist; an der TH Köln wurde mitten in Pandemiezeiten sogar eine Selbstverpflichtung zur zivilen Forschung erwirkt. Auch international gibt es mit dem Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsvertrags große Erfolge der Friedensbewegung zu verzeichnen.

Die Linke.SDS unterstützt die Hamburger Volksinitiative für den Stopp der Rüstungsexporte über den Hamburger Hafen und beteiligt sich an der Mobilisierung und Sammelaktivität. Dort soll in einem weltanschaulich breiten Bündnis ein Gesetz erwirkt werden, das den Transport und Umschlag von Rüstungsgütern über den Hamburger Hafen verbietet.

Die Linke.SDS unterstützt die Friedensbewegung und die Zivilklauselinitiativen aktiv in ihrem Kampf für eine Wissenschaft im Interesse der Gemeinschaft und der Lösung ihrer Herausforderungen. Wir kämpfen dafür, die Hochschulen dem Einfluss von Militär und Rüstungskonzernen zu entziehen und die Einhaltung des Völkerrechts, die Abrüstung weltweit und die Verwirklichung der UN-Nachhaltigkeitsziele an allen öffentlichen Institutionen zu erwirken. Wir unterstützen die Hochschulgruppen in diesem Kampf und arbeiten auf eine Vernetzung untereinander und mit anderen Akteur:innen – darunter Gewerkschaften, politische Organisationen, die Friedensbewegung und soziale Bewegungen – hin.

A11. Für einen bundesweiten Tarifvertrag für Studentische Beschäftigte! Die Linke.SDS und die Tarifrunde der Länder im Herbst 2021

 

Die Linke.SDS unterstützt die bundesweite Initiative #KeineAusnahme für einen Tarifvertrag für Studentische Beschäftigte (TV Stud). Wir wirken dafür, dass studentische Beschäftigte flächendeckend mit den weiteren Beschäftigten der Hochschulen in den „Tarifvertrag der Länder“ aufgenommen werden, damit wir solidarisch und gemeinsam – mit entsprechender Streikmacht – für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen und in der Personalvertretung mitwirken können. Alle Ortsgruppen sind dazu aufgerufen in ihren Städten aktiv die jeweiligen Ortsgruppen zu unterstützen oder sich an Neugründungen zu beteiligen, falls es noch keine lokale TV Stud Gruppe gibt.

Für das nächste Semesterpaket wird erstens TV Stud-unterstützendes SDS Material, wie z.B. Sticker, Plakate o.ä. entwickelt und produziert. Zweitens werden Bundesvorstand und Geschäftsführung damit beauftragt, ein Veranstaltungskonzept zu TV Stud und Gewerkschaft an der Hochschule zu erarbeiten. Drittens wird eine Arbeitsgruppe gegründet, in der die unterschiedlichen Erfahrungen innerhalb der TV-Stud-Kampagne, aber auch andere Bezüge zur Tarifrunde der Länder – z.B. die Solidaritätsarbeit mit Beschäftigten in den Universitätskliniken – diskutiert werden. Die Arbeitsgruppe erstellt zudem eine Übersicht über SDS-Mitglieder, die als SHK arbeiten, erstellt und bieten diesen Hilfestellung an, um gemeinsam mit Kolleg:innen Initiative zu ergreifen.

 

A12. Unterstützung #unteilbar-Demo

Die Linke SDS unterstützt den Aufruf des #unteilbar-Bündnisses „#unteilbar – Für eine gerechte und solidarische Gesellschaft | #unteilbar solidarisch – gerade jetzt“. Für die geplante Demonstration im September in Berlin organisiert der Verband Unterstützung und, sofern es der pandemischen Lage entspricht, Busanreisen aus unseren Basisgruppen nach Berlin. Unsere Delegierten im Parteivorstand versuchen auch dort Unterstützung für die Anreise und die Demonstration vor Ort zu organisieren. Wir arbeiten in der Demovorbereitung mit und werden im September gemeinsam auf die Straße gehen.

Ergänzung:

Der Aufruf zur Demonstration und das genaue Datum darf erst am 16.06. veröffentlicht werden, weshalb dieser erst im Änderungsantragsheft angehängt wird.

A13. Gegen anti-palästinensischen Rassismus und Antisemitismus und für die Stärkung von progressiven palästinensischen und israelischen Akteur:innen

Ausgangslage

Die Eskalation in Nahost im Mai 2021 stellt eine der schwersten Auseinandersetzungen der letzten Jahre in Israel und Palästina dar. Im Zuge der knapp zwei Wochen andauernden Bombardements und dem Beschuss von Protestierenden kam es auf palästinensischer Seite zu 256 Opfern in Gaza, 27 in der Westbank, einem in der Stadt Lod und 12 Opfern auf israelischer Seite. Unter den tausenden Verletzten befanden sich überwiegend Palästinenser:innen und in Gaza mussten aufgrund des Krieges zehntausende Menschen fliehen.[1] Als SDS gilt unsere Trauer allen Menschen und Angehörigen in der Region, die von der tödlichen Gewalt erfasst wurden.

In der hegemonialen öffentlichen Darstellung werden diese Ereignisse immer wieder als ein Krieg zwischen der israelischen Regierung und der Hamas dargestellt. Beide Akteur:innen werden so in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung gerückt und es wird eine Gegenüberstellung von vermeintlich gleichberechtigten Konfliktparteien mit dem Anspruch versehen, die Interessen aller Israelis auf der einen und aller Palästinenser:innen auf der anderen Seite zu vertreten. Dieser Blick unterschlägt jedoch oftmals die grundsätzliche Machtasymmetrie in der Region, denn der aktuellen Eskalation ging die Enteignung von palästinensischen Familien in Sheikh Jarrah voraus. Sheikh Jarrah wurde zum Sinnbild für die Vertreibungspolitik der israelischen Regierung in Jerusalem und in den besetzen Gebieten im Westjordanland.[2] Für ein wirkliches Verständnis der jüngsten Ereignisse ist daher die Bezugnahme auf die alltägliche Praxis der Entrechtung und Vertreibung von Palästinenser:innen sowie auf die Rechtsverschiebung in der israelischen Politik unumgänglich.

Warum geht uns dieser Konflikt etwas an?

Wir maßen uns in keinster Weise an fertige Lösungen vorzuschlagen. Wenn sich in der Region etwas zum Besseren verändern sollte, dann nur weil Palästinenser:innen und Israelis dies erkämpfen und erstreiten werden. Trotzdem erachten wir es als wichtig, uns als Internationalist:innen zu den Menschenrechtsverletzungen vor Ort zu verhalten. Auch war die öffentliche Berichterstattung hierzulande derart einseitig und verzerrt, dass rassistische Debatten unweigerlich folgen mussten. Nicht nur wurden Stimmen von jüdischen und palästinensischen Aktivist:innen unterdrückt, sondern palästinensischer Protest gegen den Krieg pauschal unter den Generalverdacht des Antisemitismus gestellt.

Anti-palästinensischer Rassismus und Antisemitismus

Von einer rechten außenpolitischen Positionierung ist es oftmals nicht mehr weit zu einer rechten innenpolitischen Position. Am eklatantesten wird dies in Statements von antideutschen Gruppen deutlich, wo unter anderem von »Antifa heißt Abschiebung« die Rede ist, und positiv-Bezüge auf das israelische Militär (IDF) zum Ausdruck kommen.[3] Auch mediale Berichterstattungen, die den Slogan »Free Palestine«,  mit einem Aufruf der Vernichtung Israels oder gar jüdischen Lebens gleichsetzen oder den Protest für palästinensische Menschenrechte nur unter Bezugnahme auf die Hamas thematisieren können, bilden das rassistische Stigma ab, welches Palästinenser:innen in generalisierender Form Antisemitismus nahelegt oder ihre Entrechtung in Nahost legitimiert.[4] Dass die Antisemitismusdebatte gerade in Deutschland notwendig ist, zeigt sich an den vielen antisemitischen Übergriffen in Deutschland, die zu 93% von Täter:innen mit rechtsextremen Hintergrund ausgeübt werden.[5] Wenn jetzt aber ein Diskurs über migrierten Antisemitismus geführt wird, ist das nicht nur eine rassistische Instrumentalisierung des Kampfes gegen Antisemitismus seitens der Bundesregierung oder der AfD, sondern auch im hohen Maße Geschichtsvergessen. Genauso wie wir uns gegen anti-palästinensischen Rassismus hierzulande stellen, verurteilen wir aber auch die antisemitischen Angriffe auf die Synagogen sowie die Gleichsetzung der Handlungen des Staates Israels mit jüdischen Menschen – egal von wem und mit welchen Motiven. Der Kampf für grundlegende Rechte von Palästinenser:innen und eine klare Kante gegen Antisemitismus gehören zusammen.

Statt politischer Instrumentalisierung braucht es daher wissenschaftlich fundierte und differenzierte Antisemitismusdefinitionen, die für den wichtigen Kampf gegen Antisemitismus dringend notwendig sind. In Bezug auf Israel/Palästina bietet die von jüdischen, israelischen und internationalen Wissenschaftler:innen initiierte „Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus“ eine Definition, an der wir uns als SDS orientieren können.[6]

Neue linke palästinensisch-jüdische Allianzen als Orientierungspunkte für den SDS

Mit diesem Antrag stellen wir uns hinter alle Genoss:innen und Aktivist:innen, die auf die Menschenrechtssituation von Palästinenser:innen in Gaza, Israel und der Westbank aufmerksam machen und sie kritisieren. Wir stellen uns gegen jegliche Abschiebe-Forderungen und andere Formen von (anti-palästinensischen) Rassismus. Genauso stellen wir uns gegen Übergriffe auf Jüdinnen:Juden, die für die Politik der israelischen Regierung verantwortlich gemacht werden. Antisemitische Äußerungen auf Demonstrationen gehören in die Schranken gewiesen und rechtsextreme Gruppen wie die Grauen Wölfe ausgeschlossen.

Ein linkes Selbstverständnis von internationaler Solidarität sollte immer auch den Austausch mit den real Betroffenen und ihren Initiativen zur Verbesserung der Situation vor Ort einschließen. Das bedingt jenen Stimmen hierzulande Gehör zu schenken und zu verschaffen, die wirklich für einen gerechten Frieden in Nahost einstehen. Unser Bezugspunkt sind progressive Gruppen wie Palästina Spricht, Jewish Antifa, Jewish Bund, Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost, Migrantifa und weitere linke jüdische und palästinensische Aktivist:innen. Als SDS werden wir sie bundesweit bei ihren Initiativen und Aktionen unterstützen, ihnen Podien geben und ihre Bündnisse miteinander sowie mit anderen progressiven Gruppen, Bewegungen und Initiativen nach unseren und den von ihnen gewünschten Möglichkeiten stärken.

»Aber ich bin hier und, noch einmal boruch hashem, nicht allein. Langsam entstehen Allianzen: migrantisch-jüdisch, jüdisch-palästinensisch, interreligiös, Black-Jewish, Migrantifa. Diese Allianzen und Bündnisse sind nicht einfach nur Marketingpose oder Hashtag, sie sind überlebensnotwendig. Sie entstehen durch offenen, auch schmerzhaften Dialog, damit wir eine gemeinsame Sprache finden. Wir verteidigen uns, wir unterstützen uns, wir hören unseren Geschichten zu und schreiben zusammen eine neue. Wir wissen, wer unsere Feind*innen sind. Und natürlich kann über Deutsche gehatet werden.«

Fabian Wolff (jüdischer Journalist) [7]

[1] https://taz.de/Krieg-zwischen-Israel-und-der-Hamas/!5772318/

[2] Statement vom SDS Bundesvorstand: »Stoppt die Räumungen! Stoppt die Gewalt! Solidarität mit den Menschen in Sheikh Jarrah« https://www.facebook.com/linkesds/posts/3748539441880968

[3] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1152226.gaza-demos-konsequenter-antifaschismus-gewuenscht.html

[4] https://www.bild.de/regional/berlin/berlin-aktuell/am-pfingstwochende-hunderte-bei-antisemitischer-hass-demo-in-berlin-76485640.bild.html

[5] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2020/05/vorstellung-pks-pmk-2019.html

[6] https://jerusalemdeclaration.org/wp-content/uploads/2021/03/JDA-deutsch-final.ok_.pdf

[7] https://www.zeit.de/kultur/2021-04/judentum-antisemitismus-deutschland-israel-bds-fabian-wolff-essay/komplettansicht

A14. SDS-Organizing-Akademie 2022

Die Linke.SDS organisiert im Frühjahr (zum Beispiel Pfingsten) 2022 eine Organizing-Akademie mit etwa 500 Teilnehmer:innen. Bundesvorstand und Geschäftsführung werden beauftragt die Finanzierung zu prüfen und Gelder zu organisieren. Zur weiteren Vorbereitung und Projektentwicklung gründet sich eine verbandsoffene Arbeitsgruppe, die in enger Abstimmung mit dem Bundesvorstand zeitnah die Planung aufnimmt. Auf dem Bundeskongress im Wintersemester wird ausführlich berichtet und Raum für Interventionen geschaffen.

Die Akademie soll drei konkrete Ziele verfolgen:

– Zum einen Organizing als Form der Demokratisierung und des Aufbaus von Sozialismus als Bewegung verstehen. Das heißt das Konzept Organizing soll theoretisch unterfüttert und dessen Stellenwert für eine marxistische Praxis eingeordnet werden.

– Zum anderen soll die Akademie Platz für methodische Ausbildung entlang konkreter gesellschaftlicher Auseinandersetzungen wie etwa um den notwendigen sozial-ökologischen Systemwechsel und die Lern- und Arbeitsbedingungen an den Hochschulen bilden.

-Drittens wollen wir einen Raum des Austausches, des gegenseitig voneinander Lernens und des Weiterentwickelns verschiedener Praxen, die unter den Begriff Organizing fallen, schaffen. Von der Ansprache bis zum Mapping, vom gewerkschaftlichen Streik bis zum Hörsaalprotest.

Thematische Schwerpunkte sowie Format und Charakter der Veranstaltung werden von Arbeitsgruppen und Bundesvorstand in einem gemeinsamen Prozess entlang dieser drei Ziele ausgearbeitet.

A15. SDS-Genoss:innen zu Expert:innen für die soziale/finanzielle Lage von Studis machen!

Der Bundesvorstand von Die Linke.SDS stellt sicher, dass regelmäßig, mindestens aber jährlich vor Beginn des Wintersemesters, Daten zu der sozialen und finanziellen Lage der Student:innen in Deutschland recherchiert und den Basisgruppen zur Verfügung gestellt werden. Die Daten werden mindestens über die SDS-Cloud sowie mit der Semesterverschickung bereitgestellt.

Die zu recherchierenden Daten enthalten mindestens folgende Eckpunkte:

  • Anzahl der Student:innen in Deutschland
  • Anteil der Abiturient:innen an einem Jahrgang
  • Anteil der Studienanfänger:innen an einem Jahrgang
  • Anteil und Anzahl der Student:innen, der neben dem Studium beschäftigt ist
  • Anteil und Anzahl der Student:innen, der an Hochschulen beschäftigt ist
  • BAföG-Höchstsatz
  • Anteil und Anzahl der Student:innen, der BAföG bezieht
  • Durchnittliches Einkommen von Student:innen
  • Durchschnittliche Mietpreisentwicklung in deutschen Hochschulorten sowie in Deutschland gesammt
  • Durchschnittliche Semesterzahl zum Abschluss des Studiums
  • Anteil und Anzahl der Studienabbrecher:innen
  • Entwicklung von psychischen Krankheiten bei Studierenden
  • Anteil der Student:innen ohne Akademiker:innen als Eltern, aufgeschlüsselt nach Bachelor-, Master- und Promotionsstudium
  • Anteil der ausländischen Student:innen an der gesamten Student:innenschaft, aufgeschlüsselt nach EU- und nicht-EU-Ausland
  • Anteil der Studierenden, die Studiengebühren (Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer*innen, Studierende im Zweitstudium, Studierende im Langzeitstudium) bezahlen müssen sowie Anteil Studierender, die von der Gebührenpflicht befreit sind.

Die Linke.SDS nutzt diese erhobenen Fakten zur Bestärkung der Kämpfe für eine ausfinanzierte Wissenschaft, für ein auskömmliches und elternunabhängiges BAföG, gegen Sanktionen für Langzeit- und Zweitstudierende, gegen Studiengebühren für unsere ausländischen Kommiliton*innen und für Geschlechtergerechtigkeit in allen Bereichen an den Hochschulen.

A16. Wir lassen uns nicht verbiegen! Kritischer Arbeitsschutz im Studium – auch im Homeoffice!

  • Die Linke.SDS setzt sich für Arbeitsschutz im Studium ein und veröffentlicht dafür folgende Resolution.
  • Die Linke.SDS wirbt mit Bildungsveranstaltungen, Kundgebungen und kreativen Aktionen für Arbeitsschutz im Studium. Dafür wird lokal die Zusammenarbeit mit den DGB-Gewerkschaften und sportwissenschaftlichen Fachschaften gesucht. Der Bundesverband erstellt eine Handreichung zur Förderung solcher Veranstaltungen.
  • Die Linke.SDS organisiert einen bundesweiten (virtuellen) Bildungstag/-abend zum Thema „Arbeitsschutz in Büro- (und Labor-)berufen“. Dafür wird die bundesweite Zusammenarbeit mit den DGB-Gewerkschaften gesucht.
  • Die Linke.SDS erarbeitet Materialien (Faltflyer, Sticker, Plakat) zum Thema Arbeitsschutz im Studium und Homeoffice.

„Wir lassen uns nicht verbiegen! Kritischer Arbeitsschutz im Studium – auch im Homeoffice!

Rücken- und Nackenschmerzen, Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Müdigkeit, Allergien, trockene Augen, eingeklemmte Nerven, Sehnenscheidenentzündungen, Verdauungs- und Blutzirkulations-störungen. Jeder*m Angestellten sind diese typischen Bürokrankheiten bekannt – und jede*r gewerkschaftlich organisierte*r Arbeiter*in hat das Glück, wenn ein*e Betriebsrät*in sie*ihn davor möglichst schützt.

Doch wir Studierenden werden im Homeoffice – aber auch davor schon in den Seminarräumen, Vorlesungssälen und Laboren – unseren krankmachenden Arbeitshaltungen und -bedingungen überlassen. So what? Die machen das doch freiwillig? Ja, wir studieren (doppelt) freiwillig – aber die mangelnde Information und Unterstützung beim Arbeitsschutz sind ein zivilisatorischer Skandal! Am Ende unserer Studiums gehen wir mit gekrümmten Rücken, geschwächtem Immunsystem, geschädigten Körpern und allgemein verschlechterter physischer und psych(osomat)ischer Verfassung aus den Hochschulen. „Tja, man wird halt älter!“, verspottet uns die herrschende Ideologie. Wir haben selten so gelacht.

Das darf nicht sein! Als Sozialist*innen schieben wir die Pflege unserer Körper und Psyche nicht dem Individuum zu – welches sich dann im Internet verirrt, bei Self-Awareness-Workshops von den neuesten Trends überrumpeln lässt oder mit etwas Glück eine*n hilfsbereite*n Sportstudent*in kennt. Sondern wir nehmen, als gewerschaftlich-organisierender Akteur der Studierendenschaft, unsere Gesundheit und die unserer Kommiliton*innen selbst in die Hand.

Das, was gewerkschaftlich gut organisierte Betriebe bereits haben: Informationsbroschüren; Warnhinweisplakate; gemeinsame Gymnastikübungen; den kollegialen Hinweis, Pause zu machen und frische Luft zu schnappen; – und die*den empörte*n Betriebsrät*in, welche*r das auch mal dem Chef geigt. Das tragen wir an die Hochschulen, unsere Arbeitsplätze. Wir lassen weder uns selbst noch unsere Kommiliton*innen hängen, sondern helfen uns gegenseitig, um den Arbeitsalltag gesünder zu überstehen.

Als Sozialist*innen bleiben wir aber nicht dabeistehen! Wir optimieren uns nicht selbst, um ‚besser‘ und braver weiterarbeiten zu können. Wir gleichen mit unserem Selbstschutz nicht die Defizite des krankmachenden kapitalistischen Arbeitsalltags aus. Darum treten wir mit einem KRITISCHEN Anspruch an das Thema Arbeitsschutz heran. Das heißt vor allem: Was wir an Zeit, Lebensqualität und besserer Stimmung gewinnen, stecken wir NICHT in zusätzliche Arbeit hinein – sondern in unsere Gesundheit, Kultur, Bildung und solidarisches Miteinander. Wir kritisieren Seminarräume und Vorlesungssäle mit gesundheitsschädigender Einrichtung. Wir prangern es an, dass Studierende im Homeoffice ihrer physischen und psychosozialen Verwahrlosung selbst überlassen werden. Wir setzen uns gegen Vorgesetzte, die uns überarbeiten wollen, zur Wehr. Und wir bekräftigen unsere Forderung nach einer radikalen Verkürzung der Arbeitszeit – wie zuletzt mit unserem Antrag zur Unterstützung der 4-Stunden-Liga (siehe XVII. Bundeskongress, Dezember 2020).

Der Weg zu einer befreiten Gesellschaft, in der Arbeit Spaß und nicht krank macht, ist lang und beschwerlich. Doch besser, wir beschreiten ihn mit gesünderer Haltung und gegenseitiger Hilfe – als uns einzubilden, es sei ein Privileg („Lifestyle“), sich auf enge Vorlesungsbänke zu lümmeln, über zu tiefe Labortische zu krümmen oder stundenlang im Bürostuhl zu versauern. Packen wir es an!“

Dringlichkeitsanträge

DA1. Still lovin‘ Interessensvertretung: gewerkschaftliche Organisierung studentisch Beschäftigter ausbauen, Hochschuldemokratie gleich mit.

Der SDS-Bundeskongress verurteilt die aktuellen Pläne des Rektorats der Universität Münster zur Abschaffung des SHK-Rats und ebenso seine jahrelangen Blockaden einer substanziellen Besserstellung der Arbeitsverhältnisse studentisch Beschäftigter. Das Rektorat erntet damit die rechtsliberalen Früchte des neuen Hochschulzukunftsgesetz‘ zur Verhinderung arbeitsrechtlicher Interessensvertretung studentisch Beschäftigter, da der SHK-Rat in Münster (und vorher: AStA-Projektstellen) seit Jahren aufbauende Basisarbeit mit gewerkschaftlicher Orientierung, Anleitung, Begleitung und Liniensetzung gegen das Rektorat in Münster betreibt.

Studentisch Beschäftigte in ihren arbeitsrechtlichen und politischen Anliegen ernst zu nehmen muss heißen, der vielen jungen Akademiker:innen drohenden Prekarisierung entgegenzuwirken. Also neben der Einhaltung der Minima des Arbeitsrechts auch konkret längere Vertragslaufzeiten, höhere Löhne, eingehaltener Ausschreibungszwang, feste Arbeitszeiten, Ächtung tarifflüchtiger Anstellung in nichtwissenschaftsbegleitenden Aufgabengebieten, eine Eingruppierung in den TVL und also eine Behandlung als universitäres Personal und damit eine Stärkung der derzeitigen Personalrätestruktur (Ergäbe sich in Münster bspw. bei den dann zusätzlich zu vertretenden etwa 2000 studentisch Beschäftigten der Uni Münster eine Situation von 30% mehr zu vertretendem Personal, d.h. einem rechtlichen Anspruch auf einen größeren Personalrat sowie einen rechtlichen Anspruch auf mehr freigestellte Stellen, d.h. einen größeren Wirkungsrahmen für politische Interessensvertretungsarbeit.)

Als Bundesverband werden wir auf die in Münster sich ankündigenden und an allen Hochschulstandorten NRWs drohenden antidemokratischen, antigewerkschaftlichen, unsozialen, – kurzum: rechten – Angriffen in dreifacher Weise begegnen:

  1. Einer zeitnahen Pressemitteilung gegen die Ratsabschaffung.
  2. Einer Zusage der Unterstützung der Basisgruppen vor Ort in ihren Kämpfen.
  3. Einem Wirken im bundesweiten TVStud-Bündnis hin zu einem sommerlichen Protestcamp für die Erhaltung des SHK-Rats auf der Wiese zwischen Schloss und AStA in Münster.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

DA3. Versammlungsgesetz in NRW stoppen! Unser Widerstand gegen eure Repression!

Die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW plant ein neues Versammlungsgesetz, welches massiv das Versammlungsrecht einschränken wird. Am 26.06.2021, während unseres Bundeskongresses, hat deswegen eine überregionale Demonstration in   Düsseldorf stattgefunden. Bei dieser gab es massive polizeiliche Repressionen: Teile der Demo wurde stundenlang eingekesselt, darunter auch Teile des LINKEN-Blocks, bestehend aus Genoss*innen vom SDS, der Solid und Mitgliedern des Landesvorstands der LINKEN. Die Aktivist*innen waren teils über fünf Stunden im Kessel, ohne Toilette, Essen oder Trinken bei um die 30 Grad. Es gab mitunter schwere Fälle von Polizeigewalt. Minderjährige wurden in Polizeigewahrsam genommen. Zwei Vertreter*innen der Presse, darunter ein Vertreter der dpa, wurden durch die Polizei angegriffen und verletzt Dieses Verhalten der Polizei ist ein Vorgeschmack auf das, was durch die Verwirklichung des neuen Versammlungsgesetzes Standard werden könnte.

Deshalb solidarisiert sich der Bundeskongress mit den Betroffenen und unterstützt die Initiativen gegen das geplante Versammlungsgesetz der nordrhein-westfälischen Landesregierung.