08.05.2024

BAföG statt Rüstung – Für eine wirkliche Reform der Ausbildungsförderung statt weiterer Elendsverwaltung

Im Bundestag läuft gerade die sogenannte “BAföG-Reform” an. Die Ampel-Regierung hat bereits einen Entwurf vorgelegt, der nun an verschiedenen Stellen diskutiert wird. Gleichzeitig geht es an den Hochschulen in Deutschland rund. In Berlin soll mit der Wiedereinführung des Ordnungsrechts an den Hochschulen die Möglichkeit zu Zwangsexmatrikulationen geschaffen werden, um politisch unliebsame Stimmen zum Schweigen zu bringen. In Hessen und Bayern arbeiten die unionsgeführten Regierungen an der Aufweichung bzw. Abschaffung der Zivilklauseln, um Rüstungsindustrie und Bundeswehr Zugang zu Forschung und Lehre zu verschaffen. Damit sollen auch Wissenschaft und Studierende “kriegstüchtig” gemacht werden. “Kanonen statt Butter”, wie Ifo-Präsident Clemens Fuest kürzlich in (wohl unbewusster) Anlehnung an den Nazi-Funktionär Rudolf Hess sagte. Das ist aktuell die Devise der Bundesregierung. Zugunsten der Sicherung und Erweiterung der globalen Einflussgebiete strebt der deutsche Staat seit Ausrufen der “Zeitenwende” die umfassende – materielle wie ideologische – Militarisierung der Gesellschaft an. Bei der Butter, d.h. Sozial- und Bildungsausgaben, Umweltschutz und öffentlicher Infrastruktur, usw., muss daher gespart werden.

Dies zeigt sich auch beim BAföG. Im Koalitionsvertrag von 2021 wurde noch die große Reform der Ausbildungsförderung versprochen. Dass daraus nichts wird, war schon abzusehen, als die Bundesregierung ankündigte, im Bundeshaushalt 2024 den BAföG-Topf um rund ein Viertel zu kürzen (von 2,7 Mrd. auf 2,0 Mrd. Euro). Doch das Bildungsministerium unter Stark-Watzinger (FDP) will nun nicht mal die mickrigen 160 Millionen, die im Haushalt der BAföG-Reform zugesprochen wurden, ausgeben. Im Referentenentwurf sind nur 60 Millionen veranschlagt. Zwar enthält dieser auch positive Teilerfolge für Studierende und Schüler*innen, die jedoch völlig unzureichend bleiben:

  • Ab Herbst 2024 sollen die Elternfreibeträge um 5% angehoben werden. Der wirkliche Reformschritt der Elternunabhängigkeit für die Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung emanzipatorisch vom Elternhaus und für die Stärkung der öffentlichen, demokratischen Finanzierung der Bildung bleibt offen zu erkämpfen.
  • Die Förderungsdauer wird um ein “Flexibilitätssemester” auf 7 Semester erhöht. Dauerhaftes, leistungs-unabhängiges BAföG zur Realisierung des Rechts auf Bildung und sinnvollen Lernens ist dagegen die reale Verbesserungsperspektive.
  • Eine einmalige “Studienstarthilfe” von 1000 Euro, die Studienanfänger*innen aus armen Familien auf Antrag einen Monat vor Semesterbeginn ausgezahlt werden soll.

Doch im Ganzen kann nicht von einer wirklichen “Reform” gesprochen werden. Vielmehr wird das Elend weiter verwaltet, zu dem das BAföG – bei seiner Einführung 1971 ein Meilenstein für die soziale Öffnung der Hochschulen für Arbeiterkinder – in den letzten Jahrzehnten gemacht wurde. In wichtigen Punkten stellt der Entwurf eine Verschlechterung dar:

  • Die monatliche Rückzahlungsrate des Darlehensanteil soll von 130 auf 150 Euro steigen.
  • Die maximale Rückzahlungssumme soll von 10.010 auf 11.550 Euro erhöht werden.
  • Zudem gibt es keine Erhöhung der Bedarfssätze sowie der Wohnungspauschale trotz anhaltender Inflation bei Konsumgütern und Mietpreisen!

Nachdem schon viele Vertreter studentischer Interessen wie das Deutsche Studierendenwerk, der fzs und die GEW den Vorstoß kritisierten, machte nun auch der Bundesrat einen vorsichtigen Schritt in diese Richtung, wobei die Sorge um Rechtssicherheit und die Belastung der Sachbearbeiter*innen im Vordergrund stehen:

  • Die Bedarfssätze müssten dem Existenzminimum entsprechen und die Wohnkostenpauschale erhöht werden.
  • Statt des “Flexibilitätssemesters” soll die Förderungshöchstdauer um zwei Semester erhöht werden sowie die “Studienstarthilfe” allen Empfänger*innen ausgezahlt werden.
  • Es gab jedoch keine Kritik an der Verschlechterung der Rückzahlungsmodalitäten.

Für die Länder ist es einfach, die mangelnde Zahlungsbereitschaft des Bundes zu kritisieren. Doch wenn es um notwendige Maßnahmen im eigenen Verantwortungsbereich geht, sind die Länder still. Es muss auch die Ausfinanzierung der Hochschulen und der Studierendenwerke gesichert werden!

Von Mut zur Reform kann daher weder beim Bund, noch bei den Ländern die Rede sein. Dabei kennen die Politiker*innen doch genauso gut wie wir alle die Zahlen: 38% der Studierenden leben unter der Armutsgrenze, unter allein- oder in WGs lebenden Studierenden sogar 76%. Dass die BAföG-Sätze, und speziell die Wohnungspauschale in Großstädten, nicht mal annähernd zum Leben reichen, wird regelmäßig von Forschungsinstituten belegt und sogar bald vor dem Bundesverfassungsgericht diskutiert. Ohnehin erhalten aufgrund der strikten Förderkriterien heute nur noch rund 12% der Studierenden BAföG. Bei der Einführung 1972 waren es noch 45%! Man könnte also meinen, die Bildung wäre der Regierung einfach egal. Doch das wäre falsch. Tatsächlich sorgt sich der Staat immer sehr um die Lage an den Hochschulen, wenn Studierende oder Wissenschaftler*innen aufmüpfig werden, wie die angestrebte Reform des Berliner Hochschulgesetzes zeigt. Bildung und Wissenschaft müssen aus Sicht des Staats ihren Zweck erfüllen, d.h. fleißige, gehorsame Arbeitskräfte produzieren und Innovationen, die dem deutschen Kapital in der Markt- und Staatenkonkurrenz einen Vorteil verschaffen. Die Unterfinanzierung der Hochschulen ist kein Unfall, sondern eine Methode, um die Abhängigkeit und Not der Studierenden wie auch des Lehrpersonals zu verschärfen und damit Konformität zu fördern. Wenn wir eine wirkliche Reform des BAföGs wollen, können wir daher nicht auf die Almosen der Regierung warten. Wirkliche Reformen wurden immer erkämpft!

Das zeigt u.a. die Geschichte des BAföGs, dessen Einführung 1971 wesentlich auf dem Druck der Studierendenbewegung basierte. Dabei betrachteten die Studierenden damals das BAföG als Fortschritt, aber lediglich als einen aus dem Kompromiss geborenen Teilerfolg. Bereits der historische SDS der 60er Jahre forderte ein umfassendes “Studienhonorar”, das Schüler*innen ab 18, Auszubildenden und Studierenden ermöglichen sollte, sich ohne Existenzsorgen auf ihre Bildung zu konzentrieren. Die Bildungsgewerkschaft GEW vertritt diese Forderung bis heute. Ihr zugrunde liegt die Idee, dass es nicht der Sinn von Bildung ist, individuelle Vorteile auf dem Arbeitsmarkt zu erlangen. Bildung ist eine soziale und materielle Produktivkraft, ohne die beim heutigen Entwicklungsstand nichts laufen würde und die daher ausreichend öffentlich finanziert werden muss, damit alle Menschen Zugang zu ihr haben. Nur so kann die Wissenschaft sich den realen Menschheitsproblemen widmen und dabei zur Befreiung von Krieg, Umweltzerstörung und sozialem Elend beitragen – statt diese aktiv zu fördern!

In diesem Sinne streiten wir als SDS für eine wirkliche Reform: BAföG für Alle! Das heißt, dass jede und jeder vom Regelsatz gut leben und lernen kann und dass dieser allen Studierenden, Auszubildenden und Schüler:innen (die nicht mehr bei den Eltern wohnen) zukommt – unabhängig von Alter, Herkunft, Studiendauer und Einkommen der Eltern. Deshalb fordern wir:

  • Erhöhung der Bedarfssätze von dem aktuellen Höchstsatz von 934 Euro auf flächendeckend mindestens 1200 Euro inklusive automatischer Steigerung mit der Inflation, weil damit erst das Recht auf Sozialstaat, menschenwürdige Mindestsicherung und Bildung realisiert wird.
  • Erhöhung der Wohnpauschale, weil die Mieten enorm nach oben gesetzt wurden.
  • Massive Erhöhung der Elternfreibeträge, damit die öffentliche Finanzierung und die emanzipatorische Persönlichkeitsentwicklung gestärkt wird.
  • Verlängerung der Förderungsdauer, damit wir diskutieren, forschen und lernen können.
  • Reduktion des Darlehensanteils, hin zum Vollzuschuss!
  • BAföG für Alle statt bürokratische und erniedrigende Antragsstellung!

Mischt euch mit ein!